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Aktienanalyse: E*Trade auf dem langen Weg zur Besserung

Last updated on 9. Februar 2022

Vor etwas über zwei Jahren war Mitch Caplan, CEO von E*Trade, so ziemlich der Erste, der die Alarmglocken für die wachsende Anzahl fauler Kredite, insbesondere Immobilienkredite, im eigenen Hause läutete. Kein anderer CEO der großen Banken, die in den Jahren 2004 bis 2007 ziemlich skrupellos Kredite an Jedermann ausgaben, ohne die Solvenz ordentlich zu prüfen, wagte es, das Drama in seiner Gänze offen zu legen. So dauerte es nunmehr über zwei Jahre und noch immer wissen wir bei einer ganzen Zahl von Banken kaum, wie groß deren gefährdete Kredite und Immobilienderivate wirklich sind.

MItch Caplan erkannte seinen Fehler, immerhin hatte er selbst dieses Geschäft vorangetrieben, deckte alle Zahlen auf und musste kurze Zeit später seinen Hut nehmen. Für zwei Jahre war nun Don Layton Interims-CEO und er schaffte es, E*Trade die Eigenständigkeit zu bewahren. Die Abschreibungen auf Kredite fraßen in die Kapitaldecke des Unternehmens. Eine Liquiditätsspritze von Citadel in Höhe von zwei Milliarden USD half dem Unternehmen über die Runden, doch erst die Umwandlung der zunächst als Anleihen ausgegebenen Papiere in Aktien sorgte für eine verträgliche Bilanz. So ist Citadel heute der größte Aktionär von E*Trade und hat einen Sitz im Aufsichtsrat.

Im 3. Quartal 2009 hat Don Layton vollständig ausgemistet. Statt des erwarteten Verlustes von sechs Cents je Aktie nahm er Abschreibungen auf die ausstehenden Kredite vor, die den Verlust auf 66 Cents je Aktie erhöhten. Für mich sieht das so aus, als wolle er ein sauberes Haus übergeben, denn zum 31.12.2009 endete der Interims-Vertrag mit Layton.

Nun sucht E*Trade einen neuen CEO und vermeldete vor zwei Wochen auf der Pressekonferenz zum Quartalsergebnis, dass es einen Wunschkandidaten gebe, mit dem man in Verhandlung stehe. Derzeit ist E*Trade also kopflos.

Das Quartalsergebnis des 3. Quartals lag nun mit einem Verlust von 4 Cents je Aktie im Rahmen der Erwartungen. Die Abschreibungen auf Kredite gehen deutlich zurück. Das niedrige Zinsniveau ermöglicht es dem Untenehmen, die Kredite günstig zu refinanzieren und somit einen Zinsgewinn zu erwirtschaften. Der sich stabilisierende Immobilienmarkt und die anziehende Wirtschaft helfen den Kreditnehmern, ihre Schulden ordentlich abzutragen.

Doch das eigentliche Kerngeschäft von E*Trade, das Brokerage-Geschäft, steht nunmehr unter Druck. Nach den turbulenten Handelsumsätzen an der Börse während der Finanzkrise ebbt das Interesse von Privatanlegern an der Börse nun ab. Die Anzahl der Transaktionen ging im 4. Quartal 2009 um 16% zurück. Auch andere Online-Broker wie Charles Schwab und TD Ameritrade haben dies gespürt und starteten einen heftigen Preiskampf. So hat nun auch E*Trade den Orderpreis von 12,99 auf 9,99 USD gesenkt.

E*Trade hat also drei Baustellen: Das große Volumen an schlechten Krediten. Dort ist Besserung in Sicht. Die Kopflosigkeit. Dort ist ein Kandidat in Sicht. Und das rückläufige Kerngeschäft. Hier ist eine neue Strategie gefragt.

Mit hohen Verlustvorträgen und einer guten liquiden Ausstattung ist E*Trade zudem ein attraktives Übernahmeziel und nicht erst einmal kursierte das Gerücht über eine mögliche Übernahme durch TD Ameritrade. Bislang haben sich die Gerüchte jedoch zerschlagen.

Fazit: Wenngleich die alten Probleme langsam gelöst werden, so scheint mir das Geschäftsmodell von E*Trade derzeit nicht besonders attraktiv. Es gibt einen Verdängungswettbewerb, bei dem kapitalkräftigere Wettbewerber vermutlich die besseren Karten haben. Ich würde mit einem Investment also warten, bis ein neuer CEO seine Strategie kund tut. Manchmal wird schon allein durch die Nominierung des CEOs offensichtlich, wohin die Reise gehen wird. Denn jeder CEO hat eine Vorgeschichte, hat Stärken und Kompetenzen.
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Published inBörsenbrief - Leserfragen

2 Comments

  1. 6 Mrd. USD Nettoschulden bei 430 Mio. USD Jahresumsatz, Tendenz rückläufig, sind schon ein großer Brocken. Wie in der obigen Analyse beschrieben würde ich andere Brokeraktien vorziehen – beispielsweise Goldman Sachs und J.P. Morgan. Aber auch die Deutsche Bank. Bei diesen Adresse würde ich kurzfristig eine bessere Aktienperformance erwarten.

    Auch ein großaktionär hat Interesse an eine Wertsteigerung seiner Anteile, Sie würden als Kleinaktionär davon profitieren. Ich verstehe also nicht, warum Sie einem Großaktionär ausgeliefert sein sollten.

    Im Laufenden Jahr 2010 rechne ich nochmals mit einem verlust, erst 2011 sind Gewinne möglich – doch dafür ist ein neuer CEO mit einem Unternehmensziel, einer neuen Strategie erforderlich. Der ist noch nicht da und so würde ich weiterhin noch nicht einsteigen.

  2. Lerner17 Lerner17

    Hallo Herr Heibel,

    wie sehen Sie bei dieser Aktie denn die Schuldensituation von mehreren Milliarden. Sind wir als freie Aktionäre nicht dem Grossaktionär auf Verdeih und Verderben ausgeliefert ? Wann rechnen Sie mit Gewinnen und wo sehen Sie zur Zeit den echten Wert der Aktie ? Gewinne gibt´s ja irgendwie nicht oder ?

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