Veröffentlicht von Stephan Heibel am 26.11.2006 um 00:40 Uhr

Piech könnte für Porsche Audi aus dem VW-Konzern herauslösen

Sehr geehrter Herr Heibel,

 

nachdem ich viele Jahre den iWatch abonniert hatte und es sehr bedauert  habe, als sie so plötzlich wie unschön bei Ekip ausgeschieden sind, war ich um so erfreuter, dass Sie einen neuen Start gewagt haben.

 

Der iWatch ist mit Ihren Nachfolgern  ziemlich den Bach runtergegangen. Offensichtlich hat man versucht Ihren Stil zu kopieren, aber diesen ebenso offensichtlich verfehlt. Jedenfalls war die Qualität miserabel. Mehr aus Trägheit und einem Mangel an Alternativen hatte ich ihn noch nicht gekündigt als er dann ebenso plötzlich eingestellt wurde. Von der versprochenen Auszahlung des Restabonnements habe ich dann auch nichts mehr gesehen.

 

Also zum Erfreulicheren: Herzlichen Glückwunsch zum Neustart!

 

Ich hatte schon ein paar mal nach Ihnen "gegoogelt", aber war bisher nicht fündig geworden. Gut also, dass Sie bzw. Ihre Mitarbeiterin noch mal die Initiative übernommen haben.

 

Außerdem überfalle ich Sie gleich zum Einstieg noch mit einer Frage, die mir ziemlich auf den Nägeln brennt:

 

Was halten Sie von Porsche?

 

Ich habe diese Aktie letztes Jahr gekauft, weil mir der eigenwillige Führungsstil (quasi "Anti-Shareholdervalue-Strategie"), die Modellpolitik ("Schuster bleib bei Deinen Leisten" hier = Sport, Premium-Qualität, High-End-Ingenieur-Produkte) und natürlich die Bilanz/-aussichten

imponierten.

 

Inzwischen frage ich mich ob der "eigenwillige Führungsstil" nicht etwas zu dubios wird. Wenn ich mir Herrn Piech und VW anschaue, dann wird mir1.) ganz anders

und

2.) sehe ich mal wieder die Irrationalität der Finanzmärkte (oder verstehen Sie das Bewertungsniveau von VW?!?)

 

Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken...

 

Man mag Herrn Piech unterstellen, dass er im Gegensatz zu einigen anderen Managern das Beste für "seinen" Konzern VW/Porsche will und dafür alle Mittel für zulässig hält (erkaufter Betriebsrat usw.) - aber was ist, wenn er mit seinen Vorstellungen von "richtig" falsch liegt? Ein eigenwilliges Management (verweigerte Quartalsberichte, Offenlegung usw.) wie bei Porsche hat seinen Reiz, erfordert aber halt Vertrauen. Und der Art und Weise wie der Famillienclan Piech/Porsche seine Politik Durchsetzt, vertraue ich nicht.

 

Also verkaufen!

...aber...

 

es gibt da noch eine äußerst reizvolle Spekulation:

Porsche hat demnächst 29,9% von VW, erhält über die Kapitalerhöhung

weitere 8 Mrd € - niemand weiß wofür...

Piechs verlängerter Arm Winterkorn (Audi-Mann!) teilt den VW-Konzern gerade in Premium- und Massenmarkt-Divisionen auf. Angeblich liegt der Wert von Audi bei ca. 10 Mrd. € Zum Premiumbereich gehören dann noch Lamborghini und Bentley - Peanuts quasi...

Also: Porsche kauft nur den Premiumbereich.

 

Der Reiz:

 

1.)Ein in seinem Image völlig unangetasteter Nischenhersteller führt einen Konzern für Premiumfahrzeuge. Image- und Technologietransfer von gut nach schlecht und nicht wie bei Ford/Volvo/Jaguar oder GM/Saab von schlecht nach gut.

 

2.) Audi ist im  Gegensatz zu VW profitabel, die anderen Marken "schmückendes Beiwerk"

 

3.) Porsche entledigt sich des "Geschmäckles", das der Massenhersteller VW Technologie an Porsche transferiert (also schlecht nach gut) (Cayenne/Touareg; Panamarena). "Audi" klingt da doch schon ganz anders. Zuviel Spekulation? Also doch verkaufen (immerhin +40% einstreichen) und, sollte die Spekulation doch eintreten, in dem dann zu erwartenden Wirbel Porsche billig einsammeln (vgl. letztjährigen Einbruch bei Bekanntgabe der VW-Investition)?

 

Wie auch immer, die Marke VW hätte dann ein echtes Problem! Und zwar ein strukturelles, also anhaltendes. Angesichts der hohen Bewertung jetzt: Sollte man VW als Short-Kandidaten im Auge behalten. (Kann man VW überhaupt shorten? Sonst halt als Option).

 

Alles vielleicht eine interessante Gedankenspielerei. Ich hoffe, Sie können das nachvollziehen und mögen es kommentieren. Schließlich sind Sie meines Wissens der einzige Analyst, der sich traut, öffentlich über die "weichen" Faktoren (Psychologie der Märkte, Kunden, Manager, Börsen) zu reden und sich nicht nur an Bilanzen und pseudo-mathematische Chartanalysen klammert!

 

Ich komme immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Anlagestrategie "amerikanische Hausfrau" + fundiertes Börsenwissen + Intuition + Gelassenheit für einen Laien wie mich mehr Wert ist, als die meisten "Geheimtipps", Superstrategien und Charttechniken. Insofern finde ich auch Ihre aktuellen Kommentare zur Dt. Telekom sehr gut! (Hatten Sie nicht vor Jahren mal geschrieben HP(?) würden Sie gar nicht mögen, auch wenn´s nicht rational wäre? Super! :-)  )

 

So, jetzt ist meine Mail sehr lange geworden, ich hoffe Sie mochten Sie trotzdem lesen. Werde mich so schnell auch nicht mehr mit einer Frage melden :-)

 

Herzlichen Dank und freundliche Grüße, Hannes aus Aachen

 

 

ANTWORT:

 

Ihre Spekulation halte ich für überaus interessant. Ist die von Ihnen? Ich habe nichts weiter darüber gefunden.

 

Der Bewertungsunterschied zwischen Porsche und VW erklärt sich aus dem unterschiedlichen Potential: VW hat einen Jahresumsatz von 95 Mrd. Euro und wird mit 23 Mrd. Euro bewertet. Porsche setzt 6,5 Mrd. Euro um und ist 7,8 Mrd. Euro wert.

 

Bei Porsche wird also der Gewinn mit einem KGV von 14 belegt, die Bruttorendite ist mit 18 % für einen Automobilkonzern sehr hoch. Wachstum kommt also nur aus Umsatzwachstum.

 

Bei VW beträgt die Bruttorendite nur 1,8 %. Damit ist VW noch schlechter als DaimlerChrysler (2,7 %) und BMW (7 %). VW braucht gar nicht mehr abzusetzen, eine etwas bessere Umsatzrendite würde das Bewertungsniveau ad hoc deutlich verringern.

 

Ich muß ehrlich sagen, Ihre Spekulation über die Übernahme von Audi & Co. kann ich so schnell kaum einordnen. Wenn das einträfe, würde der Kurs dann steigen oder fallen? Nun, Porsche würde sich nicht nur mehr Umsatz kaufen, sondern Porsche würde man es auch zutrauen, die Gewinnmarge bei Audi & Co. deutlich zu erhöhen. Ich denke, daß in dem Augenblick, wo dieser Schachzug bekannt wird, Piech viele seiner eigenwilligen Aktionen verziehen würden.

 

Ich habe gelernt, nicht alles auf eine Karte zu setzen: Was halten Sie davon, die Hälfte Ihrer Position zu verkaufen, weil Sie doch schon einen schönen Kursgewinn haben. Mit der anderen Hälfte warten Sie noch bis zum nächsten Frühjahr und sichern Ihre Gewinne mit einem Stopp Loss unter 790 Euro ab.

 

Vielen Dank für Ihr Lob. Es sind immer die anderen, die einem bewußt machen, was man gutes geschaffen hat: Mir war nicht bewußt, daß ich der Einzige bin, der über "weiche" Faktoren schreibt. Für mich sind die wichtig und ich weiß, daß nur wenige (wenn überhaupt) darüber schreiben. Es freut mich aber, daß meine weichen Faktoren geschätzt werden.

 

...

Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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