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Börsenanalyse: Tim Geithner ist eine umstrittene Person

Last updated on 9. Februar 2022

Sehr geehrter Herr Heibel,

gerne lese ich Ihre wöchentlichen Beiträge. Diesmal bin ich aber mit einem Teil ihres Beitrags nicht einverstanden. Sie schießen sich wie ich meine hier völlig zu Unrecht auf den neuen Finanzminister Timothy Geithner ein. Zu allererst ist anzumerken, dass Geithner eben nicht aus der Finanzbranche kommt (so wie die meisten seiner letzten Vorgänger unter Bush). Er kommt aus dem akademischen Kreis und hat in seiner jungen Karriere schon überall gearbeitet (zum Glück aber nie bei einer Wall Street Bank). All die inkompetenten Vorgänger von Geithner (O’Neill, Snow, Paulson) waren alle der Großindustrie oder Finanzindustrie verhaftet und konnten gar nicht anders als die Bush-Doktrin „Take it from the poor, give it to the rich“ zu befolgen.

Ich meine, Geithner ist endlich die langersehnte Abwechslung. Seine Beliebtheit in der Finanzbranche hat einen Grund: Der Kerl ist eloquent, lebte auf der ganzen Welt und hat Finanzwissen wie kein zweiter auf der Welt. Alleine seine jüngsten Bemühungen den CDS-Markt endlich zu regulieren, war längst überfällig und wäre unter einem Hank Paulson nie passiert. Die einzig bessere Wahl wäre wohl Paul Volcker gewesen, aber der Knecht ist halt schon etwas zu alt für den Stressjob.

Es ist leicht auf Bernanke und Geithner als FED-Chiefs hinzuhauen und mit guten Ratschlägen im Nachhinein zu brillieren. Bernanke ist ein armer Hund: Er hat von Greenspan einen Trümmerhaufen geerbt, den er jetzt mit allen Mitteln am Laufen erhalten muss. Ich denke, nur den Aktionen von Bernanke und Geithner ist es zu verdanken, dass die Welt noch nicht in eine langanhaltende Depression und die Aktienmärkte völlig verfallen sind. Man kann über seine Aktionen diskutieren. Im Angesicht des Ausmaßes der Krise wäre Bernanke aber dumm, die Leitwährung USD nicht zu nutzen um Amerika auf Kosten der restlichen Welt zu sanieren. Die USA können sich praktisch zum Nulltarif in der ganzen Welt verschulden und Bernanke nutzt dieses Instrument meiner Ansicht nach perfekt.

Ihre Ratschläge zum Immo-Markt sind schön anzuhören, aber meiner Meinung nach, muss man zu allererst einmal nachdenken, was mit den zig Tausenden Häusern passieren soll, die über die Jahre gebaut wurden und in den nächsten 20 Jahren nie mehr einen Bewohner haben werden. Abreißen wäre wohl die beste Lösung um das Angebot auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Ökonomisch wäre das nicht, aber es wäre die Art von Systembereinigung, die man wohl braucht. Wer die Kosten dafür trägt und die Hypothekenträger entschädigt, dies führt uns dann zu ihrem Vorschlag.

Meiner Ansicht nach ist auch an den Börsen noch längst nicht alles ausgestanden. Ich rechne fest mit weiteren Einbrüchen von zumindest 30 bis 50%. Der Konsumlevel in den USA wird sich von aktuell ca. 70% auf mindestens 65% reduzieren in den nächsten beiden Jahren. Die Sparquote wird massiv ansteigen. Zudem fährt China mit voller Wucht an die Wand (inkl. Volksaufständen, die ich noch heuer erwarte). Ich frage mich, wie unter solchen Voraussetzungen solche Börseniveaus rund um die Welt zu rechtfertigen sind.

Abschließen möchte ich trotzdem mit einem dicken Lob an Sie. Ihr Brief gefällt mir gut und hebt sich wohltuend von den besserwisserischen Mitbewerbern ab. Falls sie mal Zeit haben, würde ich mich freuen, wenn Sie Rio Tinto Ihrer Analyse unterwerfen können. Machen Sie weiter so!

Mit freundlichen Grüßen, Florian aus Amstetten

ANTWORT:
Besten Dank für Ihre ausführliche E-Mail und das dicke Lob :-). In vielen Punkten haben Sie Recht. In einem muss ich Ihnen jedoch widersprechen: Ich kritisiere Bernanke & Geithner nicht im Nachhinein, sondern ich habe schon zu Zeiten Greenspans zu heftigen Zinssenkungen aufgerufen, um das Szenario, in dem wir uns heute befinden, zu vermeiden. Ich würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich meine Meinung jüngst hätte revidieren müssen.

Sie haben Recht: Geithner hat nicht an der Wallstreet gearbeitet. Aber dennoch würde ich ihn als ehemaligen Chef der New York Federal Reserve der Finanzbranche zuordnen.

Das Szenario, welches Sie für die nächsten zwei Jahre beschreiben, will ich nicht ausschließen. Ich denke, das kann vermieden werden, wenn Geithner sich auf den Immobilienmarkt konzentrieren würde. Derzeit ist dies jedoch leider nicht der Fall, so dass auch ich ein weiteres Abrutschen der Börsenindizes nicht ausschließen möchte.

Beinahe täglich werden derzeit von Geithner und Obama weitere Schritte an den Finanzmärkten verkündet: Regulierungen, Vorschriften, … alles für die Finanzbranche. All das sind wichtige und richtige Schritte zu diesem Zeitpunkt in meinen Augen. Doch noch immer finde ich nichts, was dem Immobilienpreisverfall entgegenwirken könnte. Aber gut, vielleicht ist es wirklich noch zu früh für eine Verurteilung Geithners: Ich werde meine Meinung revidieren, sollte er noch zur Einsicht kommen. {weiter[40|9]}

Published inBörsenbrief - Leserfragen

Ein Kommentar

  1. NACHTRAG: Aktienanalyse: Vergleich von Xstrata, Rio Tinto und BHP Billiton

    Drei Giganten, die in den vergangenen Monaten im Rahmen der Rohstoffpreiskorrektur in den Keller geprügelt wurden. Hat BHP Billiton vor einem Jahr noch 147 Mrd. USD für Rio Tinto geboten, so ist Rio Tinto heute noch 28 Mrd. USD wert.

    Der Umsatz wird von 48 Mrd. USD im Jahr 2008 auf voraussichtlich 39 Mrd. USD im laufenden Jahr einbrechen. Ganz ähnlich sieht die Umsatzentwicklung von Xstrata aus, dort fällt der Umsatz von 29 auf 18 Mrd. USD. Nur BHP Billiton kann dem Trend trotzen, es wird ein Anstieg von 90 auf 94 Mrd. USD erwartet. Gegen den Trend.

    Ein Blick in die Bilanz eröffnet weitere Unterschiede: Während bei Xstrata und Rio Tinto jeweils 80% des aktuellen Umsatzes an Schulden besteht (also 16 und 32 Mrd. USD resp.), finden Sie bei BHP Billiton nur 11,5 Mrd. USD Schulden. Im Verhältnis zum Umsatz von BHP sind das 12%.

    Das Bewertungsniveau spiegelt diese solide Verfassung der Bilanz von BHP bereits wieder: Mit einem KGV von 11 ist BHP wesentlich höher bewertet als Xstrata und Rio Tinto mit KGVs von jeweils 7. Dementsprechend niedrig ist auch die Dividendenrendite bei BHP mit lediglich 4% gegenüber 4,8% bei Xstrata und 6,3% bei Rio Tinto.

    Doch was bedeutet eine hohe Dividendenrendite bei hoher Schuldenquote? Das bedeutet, dass das Unternehmen viel Geld an die Aktionäre ausschüttet und gleichzeitig weitere Kredite aufnehmen muss. In dieser Marktphase, wo das Geld allerorten knapp ist, halte ich eine hohe Dividende nur für Unternehmen ratsam, die keine oder kaum Schulden haben. Ein hochverschuldetes Unternehmen sollte statt der Ausschüttung einer hohen Dividende lieber die Schulden zurückführen.

    Wie ich es also drehe und wende, BHP Billiton macht in meinen Augen den besten Eindruck. Es ist der weltgrößte Minenkonzern und als australisches Unternehmen ist der derzeit attraktivste Markt direkt vor der eigenen Haustür: China. Rio Tinto (England) und Xstrata (Schweiz) haben da einen weiteren Weg zum größten Rohstoffkonsumenten der Welt.

    BHP Billiton ist im vergangenen Jahr von 30 auf 10 Euro gefallen. Inzwischen hat sich der Kurs wieder bis auf 17,50 Euro erholt. Gerade in der vergangenen Woche schoss der Kurs von 14,50 auf 17,50 Euro. Ich würde nach diesem Anstieg nun eine Konsolidierung des Anstiegs erwarten. Diese sollte den Kurs nochmals unter 16 Euro führen.

    Sollten sich die Hoffnungen auf eine Auferstehung der chinesischen Wirtschaft bewahrheiten, so erwarte ich einen weiteren Anstieg der BHP Aktien im Laufe der nächsten drei Monate bis auf 21 Euro. Verschärft sich jedoch die politische Situation in China, immerhin sind dort allein in diesem jungen Jahr bereits 20 Mio. Arbeiter entlassen worden, so erwarte ich weiterhin eine Bodenbildung im Bereit um 14 Euro.

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