Veröffentlicht von Stephan Heibel am 28.07.2008 um 19:09 Uhr

Börsenanalyse: KWS Saat Wunschanalyse und Anmerkungen zur Gentechnik

Lieber Herr Heibel, als immer interessierter Leser des Heibel-Ticker teile ich häufiger Ihre eingängig formulierten Stellungnahmen. Angesichts Ihrer Darlegungen zur Gentechnik und weltweiten Versorgungssituation scheint mir aber doch der Focus etwas verengt (siehe http://heibel-ticker.de/archiv.php?standardID=143&start=0) . Solange vor allem wir Europäer und die Nordamerikaner Überschüsse erzielen (Milchpulver, Weizen, etc.) und diese unter Zuhilfenahme von staatlichen Subventionen unter den Einstandspreisen der Erzeuger in Drittländern dort vertreiben, kann meines Erachtens die Gentechnik in diesem Bereich durchaus außen vor bleiben. Der Wegfall der Handelsbeschränkungen (Doharunde, WTO) und der Wegfall der Erzeugersubventionen vor allem in der EU und den Vereinigten Staaten würde ausreichen, um in weiten Teilen der Welt Flächen andersartig nutzen zu können als für Soja oder Futtermais, der zur örtlichen Versorgung wenig beiträgt. Die weltweite Nahrungsmittelproduktion wäre derzeit (solange aus Markterwägungen Produktion sogar vernichtet oder als Unterpflug verwendet werden kann) für die Versorgung ausreichend. Es ist zwar ein anderes Thema, bleibt aber eine universalisierbar unvertretbare Tatsache, dass angesichts der Überproduktion kein Mensch auf der Welt verhungern dürfte, dies aber Jahr für Jahr Millionen Menschen und gerade auch Kinder tun. Sollte dieser Zustand weiter und verstärkt eskalieren, wird meines Erachtens keineswegs die Gentechnik sondern eher eine Mischung aus Völkerwanderung und Enteignungen für eine Lösung sorgen, schon um massenhaften gewaltsamen Auseinandersetzungen vorzubeugen. Dies wird meiner Auffassung nach aus naheliegenden Gründen für alle Grundnahrungsmittel, insbesondere also auch Trinkwasser gelten. Eine Investition in die Privatisierung dieser Grundnahrungsmittel ist daher nur solange sinnvoll, wie dies nicht zu einer lebensbedrohenden Verknappung für die Menschen führt. Dann werden Menschen diese Privatisierungen - und zwar meines Erachtens ohne jeden staatlichen Widerstand dagegen - hinwegfegen. Sei es über die Verstaatlichung durch die jeweiligen Regierungen selbst, sei es nach Volksaufständen mit Ersetzung der bisherigen politischen Strukturen zu diesem Zweck. Letztlich dürfte also nur die marktwirtschaftlich gerechte Verteilung der Ressourcen weltweit überhaupt einen Markt garantieren. Ihren einleuchtenden Kritikpunkten an der Gentechnik im Übrigen wären weitere hinzuzufügen. Es gibt keine Langzeiterfahrungen mit gentechnisch veränderten Produkten und damit auch langfristig eintretenden Schäden. Allerdings ist die Komplexität und Interaktivität der Biosysteme ein Factum. Jeder interessierte Leser des Spektrums an Print- und sonstigen Medien weiß, dass gentechnisch gepflanzter Mais im Ökosystem in jedem Fall (einzig die Höhe ist strittig) Einträge in Natursaaten verursacht. Menschlich gesetzte Toleranzgrenzen sind daher schon angesichts vollständig fehlender Langzeiterfahrungen über die Wechselwirkungen lachhaft. Sie sprachen ganz zu recht die vorsichtige und örtlich bedingte bäuerliche Veränderung von Saaten in langwierigen und kleinschrittigen Prozessen an. Hierin findet sich allenfalls eine im Wege der natürlichen Mutation und Selektion umkehrbare Veränderung jahrmillionenlang entstandener und an die jeweiligen Umweltveränderungen angepasster Natursaaten als unserer Ernährungsgrundlagen. Angesichts offenkundiger Fehlerhaftigkeit in der Folgeneinschätzungskompetenz durch unsere Rasse bei vermeintlich verbessernden Umgestaltungen und Innovationen (Grünenthal und Contergan sind für den Pharmabereich ein populäres Beispiel) wäre es daher kaum verwunderlich, wenn sich der "Segen" der Gentechnik mittel- und langfristig als "Fluch" für ernährungstechnisch verwertbare Grundsaaten herausstellen würde. Fazit: Aus meiner Sicht ist eine Investition in Rohstoff- und Nahrungsmittelproduktion, die auf weitere Verknappung und damit Verteuerung von Grundnahrungsmitteln setzt, hoch riskant. Außer der Frage der ethischen Vertretbarkeit an sich sind hier vor allem die völlige Unklarheit über die Dynamik der Faktoren "Entzug der Lebensgrundlagen" und "Totalisierung benachteiligter Bevölkerungen" ausschlaggebende Faktoren. In Teilen von Afrika ist die Frage der Revolution aufgrund dieses Themas schon heute allenfalls eine Frage ausreichender Bewaffnung. Auch die immerwiederkehrenden Berichte über Flüchtlinge an den EU-Grenzen und die Grenzzäune der USA nach Mittelamerika zeigen deutlich, dass das Thema schon längst vorhanden ist. Es wird sich verstärken, jedenfalls solange, wie die Grundversorgung mit Nahrung und Wasser keine Frage weltweiter Solidarität und weitgehender Autarkie sondern privatisierter Partikularinteressen bleibt. Mit freundlichen Grüßen Peter aus Düsseldorf ANTWORT: Besten Dank für Ihre kritischen Worte. Ja, die Gentechnik kann man kritisch sehen, wie ich in meiner Analyse auch ausführte. Auch die Subventionsproblematik und die Probleme der Umverteilung sind mir bekannt. Meinem Eindruck nach wird an diesen Problemen gearbeitet und, wenn ich einmal einen langen Zeithorizont nehme, ich habe den Eindruck, dass die Welt immer ein Stückchen besser wird. Welche Rolle die Gentechnik letztlich spielen wird und ob eine Katastrophe wie Grünenthal für die Menschheit zum Lernen erforderlich sein sollte, das kann ich heute noch nicht abschätzen. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Gentechnik ihre Nische suchen wird.{weiter[40|9]}

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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