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Wie China zu Xina wird und sich immer mehr deglobalisiert

Last updated on 9. Februar 2022

Der chinesische Premierminister Xi Jinping hat höchste Ambitionen. Die bis dato in China übliche Amtszeitbegrenzung ließ er aufheben und kann somit auch nach dem Jahr 2023 weiter im Amt bleiben, am liebsten auf Lebenszeit. China würde so zu Xina.

Doch das läuft nicht automatisch, er muss sich die Gunst seiner Parteifreunde immer wieder auf’s Neue verdienen. So hat er nach mehreren Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufschwungs nunmehr die kommunistische Ader wiederbelebt. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in China weit auseinander gegangen, insbesondere bei der Landbevölkerung ist der globale Erfolg Chinas noch nicht angekommen.

Seit einigen Monaten kümmert sich Xi daher nun darum, soziale Missstände auszugleichen. Insbesondere die Superreichen des Landes sowie die international erfolgreichen Unternehmen werden zu Zielen.

Alibaba Tochtergesellschaft Ant Financial wollte an die Börse, der Börsengang wurde jedoch am Vorabend des weltweit größten Börsengangs gestoppt. Gründer und CEO Jack Ma verschwand seither vollständig aus den Medien. Alibaba spendete 12 Mrd. USD an die kommunistische Partei.

Auch Tencent spendete 12 Mrd. USD, weitere internationale Unternehmen spendeten ebenfalls nennenswert.

Kinder dürfen nur noch sehr eingeschränkt Online-Spiele spielen. Unternehmen mit Lehrauftrag dürfen keine Gewinne mehr erzielen. Die Palette der Einflussnahme des Staates ist breit gefächert. Wo über Jahrzehnte die Zügel für die Wirtschaft locker waren, werden sie nun straff angezogen.

Evergrande, einer der größten Immobiliengesellschaften in China, ist seit Wochen in Zahlungsschwierigkeiten. „Too big to fail“ hieß es lange Zeit, doch der Staat griff wider Erwarten nicht ein. Der Gründer von Evergrande war bis vor kurzem Chinas reichster Mann. Es widerstrebt Xi, ihm unter die Arme zu greifen.

Das Geschäftsmodell von Evergrande ist auf Wachstum und steigende Immobilienpreise angelegt. Über Monate führte Evergrande mit geschönten Aussagen neue Investoren hinters Licht, bis diesem Treiben nun Einhalt geboten wurde. Kommt die Dynamik in diesem Bereich ins Stocken, so funktioniert das Geschäftsmodell nicht mehr. Eine Art Schneeball-System. Ich wurde von meinen Lesern bereits im Jahr 2012 davor gewarnt, dass diese Machenschaften nicht gesund seien.

Nachdem die wirtschaftliche Dynamik, und somit auch die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt in Folge von Corona nachgelassen hat, bricht nun das Kartenhaus von Evergrande zusammen. Diese Woche waren einige Zinszahlungen fällig, die das Unternehmen nicht mehr leisten konnte. Mitarbeiter wurden aufgefordert, dem Unternehmen auszuhelfen.

Am Montag und Dienstag letzter Woche blieben die chinesischen Finanzmärkte aufgrund des Mitt-Herbstfestes geschlossen. Es kam Angst auf, dass Evergrande am Mittwoch kollabieren könnte. Einige fürchteten sogar einen „Lehman-Moment“ Chinas.

Ich denke, die Brisanz dieser Situation hat man in China lange Zeit unterschätzt. Man hat geglaubt, man könne Evergrande pleite gehen lassen und somit einen Teil der vermeintlich Reichen bestrafen. Doch es stellte sich heraus, dass 1,2 Mio. Apartments von Chinesen gekauft wurden, die nicht zu den Reichen zählen, sondern die ihre Lebensersparnisse, ihre Altersvorsorge so anlegen wollten. Die Apartments sind noch nicht fertig und würden nicht fertig gestellt, wenn Evergrande pleite ginge. Eine Pleite von Evergrande würde diese 1,2 Mio. Chinesen hart treffen. Nicht die Finanzierer und Anlageberater müssten am Ende die Zeche zahlen, sondern 1,2 Mio. Chinesen, die dem Mittelstand zuzuordnen sind.

Berichten zufolge gibt es Aufruhr in China. In mehreren Städten gibt es Protestbewegungen vor den Büros von Evergrande. Wenn Xi in zwei Jahren erneut zum Staatsoberhaupt gewählt werden möchte, muss er diese Protestbewegung einfangen.

In der Nacht zum Mittwoch meldete Evergrande, die Zinszahlungen an chinesische Gläubiger seien gesichert. Bis heute weiß niemand, wie genau diese Sicherung erfolgte. Außerdem bezieht sich diese Zusicherung nur auf chinesische Papiere. Papiere im Ausland, die auf US-Dollar lauten, wurden nicht erwähnt. Doch auch für sie sind Zinsen fällig.

„Moral Hazard“ nennt man in der Volkswirtschaft den Effekt, wenn man Unternehmen rettet, nur weil sie zu groß sind, als dass man sie pleite gehen lassen könnte. Solche Unternehmen gehen unvernünftige Risiken ein, weil sie fest damit rechnen, am Ende gerettet zu werden. Xi darf also Evergrande eigentlich nicht retten, wenn er Moral Hasard vermeiden möchte. Denn der lachende Dritte von den Vorgängen ist der Gründer von Evergrande, der einst reichste Chinese, der mit seiner Masche durchgekommen wäre.

Doch China funktioniert nicht wie unser System. Xi hat die Möglichkeit, Evergrande zu retten, gleichzeitig aber den Gründer zu bestrafen – siehe Jack Ma. Ob er ihn in ein Umerziehungslager schickt, oder mit anderen Methoden bestraft, sei dahin gestellt. Ich möchte darauf hinaus, dass Xi ganz andere Möglichkeiten hat, seine Ziele durchzusetzen, als wir uns das vorstellen können.

So könnte er die 1,2 Mio. Chinesen retten, ausländische Investoren (die ihm egal sind) zur Kassen bitten und Moral Hasard vermeiden.

Von den Finanzmärkten wurde dieses Vorgehen überaus positiv aufgenommen. Die Verluste der ausländischen Anleger sind zu vernachlässigen. Viel wichtiger ist ein funktionierendes China, da China inzwischen für viele international aufgestellte Unternehmen der größte Abnehmer ist. Wussten Sie, dass 41% aller VWs in China verkauft werden? BMW 33% und Daimler 31%.

Eine Immobilienkrise in China wäre für unsere Autobauer ein heftiger Rückschlag. Da diese nun abgewendet ist, steigen die Kurse wieder. Doch das gefällt mir nicht, denn hinter der Evergrande-Geschichte steckt mehr, wie oben gezeigt: Xi geht gegen jeden vor, der in seinen Augen zu viel Geld verdient. Ausländische Unternehmen, deren Produkte auch von chinesischen Unternehmen hergestellt werden können, sind da ein besonders beliebtes Ziel. Schon am Freitag vor zwei Wochen zeigte ich, dass sich China konsequent abkoppelt vom Rest der Welt: Deglobalisierung.

Wenn wir uns vor Augen führen, dass die Weltwirtschaft in den vergangenen 10 Jahren maßgeblich durch das hohe Wachstum Chinas gezogen wurde, wären die leichtesten Rückschläge in China, bspw. durch neue Regulierungen, eine Katastrophe für die globale Konjunktur. Nachdem China von der Werkbank der Welt zum Konsumenten der Welt aufgestiegen ist, ist die Abhängigkeit der international vernetzten Konjunktur stark abhängig von China.

Xi hat alle Karten auf der Hand. Die Eingliederung Hongkongs konnte von der westlichen Welt nicht verhindert werden. Der ehemalige Hongkong-Verantwortliche wurde kürzlich zum Verantwortlichen für Taiwan bestellt. Ich halte die Entwicklungen in China wirtschaftlich betrachtet für sehr gefährlich.


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Published inAllgemeine Börsenthemen

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