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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 11.08.2023 um 19:42 Uhr

Transkript Interview flatexDEGIRO Deputy CEO & COO (und ehemaligem CFO) Muhamad Chahrour

31.7.2023

Stephan Heibel 

Herzlichen Dank, dass Sie sich für das Interview bereit erklärt haben. Wir wollen Ihre Amtszeit bei flatexDEGIRO, angefangen bei der Fintech Group vor über 8 Jahren und mit einem abschließenden Schwerpunkt bei der übernommenen DEGIRO, Revue passieren lassen. Quite a Journey, wenn man bedenkt, dass Sie heute erst 37 Jahre alt sind. Die meiste Zeit waren sie als CFO mit Anfang/Mitte 30 einer der jüngsten CFOs aus der DAX-Familie (DAX, MDAX, SDAX). 

Nun haben Sie sich entschieden, zum Ende des Jahres das Unternehmen zu verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen, wie man liest. Vorab schon mal die Frage, die Anlass dieses Interviews ist und auf die wir am Ende des Interviews erneut eingehen werden: Wie kam es zu dieser Entscheidung? 

Muhamad Chahrour 

Normalerweise wacht man morgens nicht auf einmal auf und denkt, ich will jetzt was Neues machen, sondern es ist schon ein Stück weit ein Prozess. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass ich mich seit Jahren damit beschäftige. Diejenigen, die mich kennen, wissen, ich bin ein schneller Entscheider. Es war ein kurzer, aber intensiver Prozess, den ich mit mir selbst geführt habe. Ich habe ein paar Sachen Revue passieren lassen, unter anderem private und persönliche Dinge sowie die eigene Entwicklung. 

Wir waren 8 Jahre auf Vollgas in der Firma. Da sind im privaten und familiären Bereich Dinge liegen geblieben, für die ich mir eine Pause wünsche, um einmal durchzuatmen. Im letzten Jahr mussten wir familiäre Schicksalsschläge verkraften, wir haben beide Väter verloren. Und natürlich kommen dann auch professionelle Fragestellungen dazu. Inwiefern passt eigentlich noch die Strategie des Unternehmens zur persönlichen Strategie und zur Entwicklung, die man für sich selbst eventuell glaubt, die Richtige zu sein? 

Viele, und auch dafür habe ich viel Verständnis, haben Angst oder vielleicht auch gar nicht die Möglichkeit, solche Entscheidungen zu treffen. Dann, auch das muss man bedenken, hatte ich die letzten 3 Jobs immer back to back [ohne Unterbrechung zwischen den Jobs]. Für mich war deshalb schnell klar, dass ich jetzt eine Auszeit brauche, um die Batterien wieder aufzuladen und mich Dingen zu widmen, die 8 Jahre lang liegengeblieben sind. 

Und das führt natürlich dazu, dass die Frage, was kommt nach der Pause, noch nicht beantwortet werden kann. Ich habe natürlich gewisse Vorstellungen, aber noch nichts Konkretes. 

Stephan Heibel 

Daraus lese ich, dass der Entscheidungsfindungsprozess dann recht zügig vonstatten ging und dann auch eine Überraschung für viele war. Das kann man sowohl am Aktienkurs sehen als auch an der Unternehmensmeldung darüber, in der doch noch wenig darüber steht, wie es weitergeht. Die Aktie selbst ist danach kräftig eingebrochen [-11% in 2 Tagen]. 

Am Abend zuvor wurden Quartalszahlen veröffentlicht, die aber im Wesentlichen keine Überraschungen mehr brachten. Dank Ihrer IR, die sie im Laufe der Jahre etabliert haben, sind die Zahlen von flatexDEGIRO inzwischen sehr gut vorhersehbar. Allein durch die monatlichen Veröffentlichungen der Kunden-, Transaktionszahlen und Depotvolumina. Das heißt, aufgrund der Quartalszahlen ist die Aktie am nächsten Tag nicht eingebrochen, sondern dann schon aufgrund der Meldung, dass Sie das Unternehmen zum Jahresende verlassen wollen. Das ist eine Aussage des Marktes, dass man ihnen da sehr großes Vertrauen entgegengebracht hat. Oder wie sehen Sie das? War das dann auch im Unternehmen doch etwas plötzlich? 

Muhamad Chahrour 

Ich glaube, es sind sehr viele auf dem falschen Fuß erwischt worden, würde man bei Torhütern sagen. Einerseits lief mein Vertrag jetzt nicht noch 5 Jahre, sondern er wäre ab jetzt noch knapp eineinhalb Jahre gelaufen. Und dann bin jetzt auch nicht nur 2 Jahre im Unternehmen gewesen, sondern über acht Jahre. 

Ich habe ein Stück weit das Unternehmen mit dieser Entscheidung überrascht. Das spricht auf der einen Seite für eine gewisse Professionalität, denn ich habe meine Arbeit weiterhin auf einem hohen Level gemacht, so dass keiner davon ausgegangen ist, dass ich mich mit dieser Entscheidung beschäftige. Was mich auch freut ist, dass solche Themen nicht an den Markt gelangen, bevor man sie vollends gemeinsam besprochen hat. 

Natürlich gab es auch Ideen, wie die zukünftige Aufstellung bei flatexDEGIRO nach den eineinhalb Jahren, die mein Vertrag noch gelaufen wäre, aussehen würde. Und ich glaube, dass das natürlich auch noch mal ein bisschen zur Überraschung beigetragen hat. Wenn man aber für sich die Entscheidung so getroffen hat, ist das dann ehrlicherweise eine Entwicklung, die sauber, stringent und konsequent ist, da braucht es keine Phasen langer „lame duck“ [lahme Ente] -Situationen, das führt am Ende zu nichts und schadet nur dem Unternehmen.

Die Aktienkursreaktion, ich muss ehrlicherweise sagen, das ist immer ein bisschen bittersweet [süßsauer]. Ich weiß nicht, warum der Markt schlussendlich so reagiert hat. Sie sagten die Zahlen waren eigentlich keine Überraschung. Es tätschelt natürlich das Ego, wenn der Markt enttäuscht reagiert, weil es ein Vertrauensbeweis in meine Arbeit und meine Person darstellt. Natürlich war ich in Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Achim Schreck das Gesicht für unsere institutionellen Investoren Ich habe stets eine direkte und sehr strategische und gestaltende Art gepflegt, das haben unsere institutionellen Investoren, glaube ich, geschätzt.

Auf der anderen Seite leidet das eigene Depot und meine eigene flatexDEGIRO Position. Ich bin mir aber sicher, dass meine Kollegen die richtigen Schritte gehen werden und der Aktienkurs sich wieder erholen wird.

Stephan Heibel 

Sehr schöne Sichtweise, denn für viele Anleger ist diese ambivalente Gefühlswelt, die Sie durchleben, nicht typisch für vermeintlich rein rational tickende Vorstände. Ich würde gerne noch mal auf die mitunter turbulenten Zeiten zu sprechen kommen in Ihrer Zeit bei flatexDEGIRO. 2015 kamen Sie von Rocket Internet zu flatexDEGIRO. Sie kamen also von einem Unternehmen, das Startups in Serie erzeugte, häufig mit großer Wachstumsrate. Eine der ersten Aktionen nach Ihrem Wechsel zu flatexDEGIRO damals war Übernahme von XCOM AG und biw AG. Waren sie da schon mit involviert?

Muhamad Chahrour 

Ich war tatsächlich nicht in die Kauf-Entscheidung einbezogen, die Entscheidung fiel einige Monate vor meinem Wechsel. XCOM war über Jahre der Dienstleister der flatex, also damals der Fintech Group. XCOM hat die komplette IT-Basis geliefert: Rechenzentrum, Kernbankensystem, Trading Systeme etc. und die biw hat die Banklizenz geliefert. Das war damals von der XCOM und biw quasi alles White Label geliefert und nur die Marke flatex, der kommerzielle Broker lag bei uns. 

Wir haben im ersten Halbjahr 2015 die Mehrheit an der XCOM biw, die biw gehörte zu 100% der XCOM, gekauft. Ganz spannend war, dass ich mich dann um die restlichen 40%+ kümmern durfte, die ich dann sukzessive über zweieinhalb Jahre von unzähligen Aktionären gekauft habe. Es gab über 100 Minderheitsaktionäre, die alle so ein paar Anteile gehalten haben, von 10 Stück bis zu knapp hunderttausend Stück. Die dann nach und nach einzusammeln, war wirklich ein hartes Stück Arbeit, die dann auch erfolgreich mit dem Squeeze out, dem Spruchverfahren und der Einigung im Spruchverfahren abgeschlossen werden konnte. Aber auch da bin ich rückblickend sehr zufrieden, dass wir den gesamten Prozess innerhalb eines Jahres durchlaufen konnten. 

Stephan Heibel 

Strategisch gesehen, genau deswegen habe ich die damalige Übernahme angesprochen, war das der geniale Schritt: flatex war ein Neobroker mit einer Vollbanklizenz, also mit einem kompletten Angebot, womit sich flatexDEGIRO bis heute von allen Neobrokern unterscheidet. Damit operiert flatexDEGIRO zwischen den großen Geschäftsbanken und Genossenschaften und Sparkassen auf der einen Seite und eben den Neobrokern, die mit ausgewählten Produkten am Markt unterwegs sind, auf der anderen Seite. Damit ist flatexDEGIRO bis heute eigentlich einmalig. 

Es folgte großes Wachstum, das ich mit den folgenden Zahlen veranschaulichen möchte: Zum Zeitpunkt des Eintritts von Muhamad Chahrour stand die Aktie bei Split bereinigt 3,60 EUR, heute bei 9 EUR, das sind +150%. Der Umsatz hat sich von 75 Mio. EUR im Jahr 2015 auf heute über 400 Mio. EUR mehr als verfünffacht. Der Gewinn (EBITDA) von 20 Mio. EUR auf 150 Mio. EUR hat sich mehr als versiebenfacht. Und die Kundenzahl von 200.000 auf jetzt 2,6 Mio. ist um das 13-fache angestiegen. Sie konnten In Ihrer Zeit also hohe Wachstumsraten genießen, haben diese sicherlich teilweise auch selbst angetrieben. 

Dennoch beträgt der Marktanteil im Brokermarkt von Europa heute nur 8-9%. Das heißt, da ist noch viel zu holen für flatexDEGIRO. flatexDEGIRO verwandelte sich dabei von einem Startup zu einem Unternehmen, wo die BaFin Regulierungen einfordert, die das Ganze auf das Großbankenniveau heben. Gleichzeitig ermöglicht die technologische Basis des Unternehmens in diesem Bereich weiter hohes Wachstum. Wie sehen Sie da den Stand zurzeit? Provokativ gefragt: Ist es für sie nicht mehr interessant, die nächsten Jahre weiter dieses Wachstum auf hohem Niveau voranzutreiben, oder sehen sie die Chance nicht mehr?

Muhamad Chahrour 

Erstmal war es ein Privileg im Jahr 2015, eine wie man im Englischen sagt „Tom-Dick and Harry“ Bude, die als Broker gut in Deutschland und Österreich positioniert war, zum europäischen Marktführer weiterzuentwickeln. Die Rocket-Schule war sehr hilfreich dafür, um zu wissen, wie man Wachstum managt und steuert. Viele Menschen nutzen gerne Finanzkennzahlen, um Wachstum zu präsentieren. Aber was das für einen Organismus bedeutet, wird häufig vernachlässigt. Wir sind von knapp 300 auf 1.300 Mitarbeiter angewachsen. Ein solches Wachstum macht etwas mit einer Organisation. Die ersten Jahre kannte ich gefühlt jeden Mitarbeiter oder Mitarbeiterin. Das ist mit 1.300 Mitarbeitern nicht mehr möglich. Nichtsdestotrotz haben wir es geschafft, und das ist, glaube ich, auch der Kern des Erfolges gewesen, das Ganze iterativ zu machen. Es gab nicht diesen einen Sprung, den wir gemacht haben, der alles verändert hat, sondern wir haben es geschafft, uns Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. 

Die letzten 2-3 Jahre gab es einen außergewöhnlichen Boom. Ich weiß nicht, ob es den nochmal so in dieser Art und Weise geben wird mit Covid und Meme-Stockhype. Aber wenn man die jetzt kurz ausblendet und auf die organische Entwicklung der Gesellschaft schaut, war das schon sehr strukturell und systematisch. 

Stephan Heibel 

Als alter Haudegen kann ich sagen, das hatten wir schon mal bei der Internetblase 2000, sowas wird wieder kommen. 

Muhamad Chahrour 

Genau, das ist jetzt 25 her. Ich glaube, das entspricht wahrscheinlich einem vier Sigma Event, also einem sehr unwahrscheinlichen Event. Nichtsdestotrotz haben wir eine solide Basis aufgebaut, die uns die Möglichkeit gegeben hat, 2019/20 DEGIRO zu kaufen. Ehrlicherweise war diese Entwicklung, der Kauf von DEGIRO, für mich persönlich ein Riesen-Highlight.

[Mein CEO] Frank Niehage und ich haben diesen Deal von Anfang an verfolgt und verhandelt, bis zur Unterschrift. Es sind Wochen und Monate vergangen mit Due Dilligence etc., nichtsdestotrotz haben wir mit einer Stringenz, mit einer Konsistenz diese Transaktionen verhandelt und dann für eine viertel Milliarde Euro das Unternehmen gekauft. Das war ein Riesen-Event, auch in der eigenen Vita. Und das war für mich auch ein Stück weit ein Kicker, der nochmal eine neue Herausforderung dargestellt hat, weil wir unterwegs waren, vom deutschsprachigen zu einem europäischen Spieler. Kolleginnen und Kollegen waren plötzlich in Amsterdam und Sofia und wir hatten auf einmal einen Footprint in 18 Ländern. Die letzten ca. 3 Jahre in der Rolle des DEGIRO CEOs war für mich eine unglaublich große und spannende Herausforderung.

Und irgendwann kommt man natürlich an einen Punkt, wie jetzt, wo man sich Fragen stellt. Es ist meine feste Überzeugung, immer wieder zu reflektieren, was sind eigentlich die Vorstellungen und Ziele als Person, als Mensch mit dem Umfeld, in dem man sich befindet? Das gilt beruflich wie privat. Das Unternehmen ist sehr gut aufgestellt und dennoch ist es meine persönliche Philosophie, dass ich mich frage: wo ist der Mehrwert, den ich im Unternehmen bringen kann mit dem Skillset, das ich habe – unter Berücksichtigung der Ausrichtung des Unternehmens?

Das bedeutet aber mitnichten, dass das Unternehmen nicht mehr performt. Ganz im Gegenteil. 

Wir haben viele Herausforderungen in den vergangenen Monaten gehabt, auch die Feststellungen der BaFin, deren Abarbeitung auf unserer Seite für mich ein ganz wesentliches Thema war. Jetzt haben wir auf unserer Seite alles getan und ich konnte meinen kleinen Beitrag liefern. Die Unterlagen sind fertig, das System ist implementiert, das System ist live, die Dokumentation an den Sonderbeauftragten übergeben worden. Es ist wichtig eine Unternehmung mit einer persönlichen Entscheidung nicht zu belasten, für mich war es jetzt der richtige Zeitpunkt – wenn es den überhaupt gibt - meine Entscheidung zu treffen. 

Das Unternehmen wird weiterhin sehr erfolgreich sein. Sie haben es gerade gesagt, 8-9% Marktanteil in Europa. Wir haben den Marktanteil schon annähernd an die 10% gebracht über die letzten Jahre hinweg. Ist es möglich, einen Marktanteil von 20% zu kriegen? Ja, natürlich ist das möglich. 

Vielleicht kann man auch sagen, es geht es dem Unternehmen solide, unternehmensseitig funktioniert sehr viel. Ich merke, ich brauche aber persönlich etwas Neues, neue Reize, neue Impulse, vielleicht eine Unternehmensstruktur, wie ich sie bei flatexDEGIRO in 2015 vorgefunden habe.

Stephan Heibel 

Was waren denn Ihre Vorlieben in den letzten Jahren, was kann ein CFO in einem Unternehmen beeinflussen? CEO & CFO müssen sich bestens verstehen, das sind immer die beiden wichtigsten Manager im Unternehmen. Was sind denn so die Punkte, wo Sie sich in den letzten Jahren gesagt haben, hey das ist, das hat mich begeistert? Wo sind Ihre Highlights aus der Zeit bei flatexDEGIRO?

Muhamad Chahrour 

Ich glaube, wer mich kennt weiß, ich war nicht der typische CFO. Ich komme aus der Corporate Finance Welt, die aus meiner Sicht immer Grundlage der Entscheidungsfindung sein muss. Sie ist niemals Grundlage der Entscheidung, aber sie muss Grundlage der Entscheidungsfindung sein. Wenn ich zurückblicke auf die Zeit seit 2015, haben wir Unternehmen verkauft, bspw. die Aktionärsbank, wir haben Akquisitionen durchgeführt, wir haben einen Squeeze out gemacht, wir haben Spruchverfahren gehabt und wir haben die Organisationsstruktur drastisch vereinfacht. Wir haben dann das Prospektverfahren gestartet für das Up-Listing vom Scale Segment ins Prime Segment und schließlich der Aufstieg in den S-DAX. 

Ich kann mich erinnern, meine ersten Wochen und Monate reisten Frank Niehage und ich durch London, Paris und Frankfurt und fingen an, das erste Mal Investor Relations aktiv zu betreiben. Man spricht das erste Mal mit Investoren, erklärt ihnen, was die Vision der Firma ist. Wir haben in acht, neun Jahren und insbesondere ich würde sagen auch in den letzten drei, vier Jahren gemeinsam mit Achim Schreck eine sehr solide Investor Relation aufgebaut, haben Investoren gewonnen, die zu den größten der Welt gehören, bspw. T-Rowe Price oder Granular Capital, die gefühlt seit Tag 1 dabei sind. Aber wir haben auch mit der Union Investment Deutsche Asset Management Häuser gewonnen mit über 3% Anteil. Das sind Themen, die wir die letzten acht, neun Jahren hingestellt haben, und das sind die Themen, die mich persönlich reizen. 

Was macht einen guten CFO am Ende aus? Es hängt davon ab, welche Rolle der CFO erfüllen muss. Ich war, und das war auch meine Rollenbeschreibung, immer ein sehr strategischer CFO, der auch darüber nachdachte, wie die Vision ausschaut, wie das Produkt ausschaut, wie das Marketing auszusehen hat. Ich glaube, einen guten CFO macht tatsächlich aus, dass er seine Zahlenwelt auf der einen Seite beherrscht, aber gleichzeitig eine hart challengende [herausfordernde] Nr. 2 ist. Der „Sparringpartner“ ist für mich zu abgedroschen, so ein bisschen wie Schattenboxen, stellt sich in den Ring und lässt sich prügeln. Viel besser finde ich den Vergleich zur Formel 1, wo die Nr. 2 Druck von hinten macht, Tempo macht und mit der Nummer 1 und dem gesamten Team versucht, das Beste aus dem Auto zu holen. Man erkennt meines Erachtens ein Unternehmen mit starkem CFO daran, dass dieser eine eigene Dynamik ins Unternehmen trägt. 

Ich verfolgte gerne CFOs wie Luka Mucic von SAP, der jetzt zu Vodafone wechselt oder Lutz Meschke von Porsche. Gute CFOs bringen markante Strategien ins Unternehmen und hinterlassen nachhaltigen Eindruck, der über Geschäftsberichte und IR hinaus geht. 

Stephan Heibel 

Na, das war jetzt eine eindrucksvolle Liste. Da habe ich sehr gespannt zugehört, denn da waren viele spannende Themen zu bearbeiten. Und jetzt sagen Sie, flatexDEGIRO ist – ja, fertig ist es natürlich nicht, aber - erstmal gut aufgestellt. 

Muhamad Chahrour 

Absolut, deshalb bleibe ich auch als Gesellschafter an Bord.

Stephan Heibel 

Eine kritische Frage muss rein, und zwar die des Ziels der 7- 8 Mio. Kunden bis 2026. Das Ziel wurde irgendwann mal formuliert und wurde dann auch sehr schnell wieder aufgegeben. Mit 2,6 Millionen Kunden sind Sie aktuell bei 8 bis 9% Marktanteil. War die Zahl 7-8 Mio. errechnet oder haben Sie einfach das damals aktuelle Wachstum extrapoliert? Liegt es vielleicht an der Branche, dass das Wachstum jetzt fehlt? Andere Neobroker wachsen im Moment auch nicht besonders stark. 

Muhamad Chahrour 

Ich glaube, da müssen wir bedenken, auf welcher Grundlage und wann Ziele vorgegeben werden. Die 7-8 Mio. Kunden im Zieljahr 2026 hätten impliziert, jedes Jahr mit knapp 8-900.000 Kunden zu wachsen. 

Ziele dürfen nicht von vornherein absolut utopisch sein, sie sollten schon realistisch sein, was aus unserer Sicht der Fall war: Wenn sie sich erinnern, wir haben 2021 800.000 Kunden gewonnen, und 2020 waren es 600.000. Jedes Jahr 7-800.000 Kunden zu gewinnen war jetzt nicht total out of the Blue [nicht total aus der Luft gegriffen]. 

Jetzt ist das Marktumfeld 2022 drastisch umgeschlagen, ich glaube, damit hat so keiner gerechnet. Daher sehe ich ihre Frage gar nicht kritisch. Es ist wichtig, Visionen zu haben: Was wollen Sie sein? Mitläufer? Oder wollen Sie jemand sein der einen Markt definiert? Wir wollten schon immer derjenige sein, der den Markt definiert. 

Wir sind in so viele Länder gegangen, in denen teilweise kein Mensch einen weiteren Broker brauchte. In diesen Ländern und in den meisten anderen Ländern in Europa sind wir heute die Nr. 1. Ja, das hat viele Jahre gedauert, aber genauso ist es mit den Kundenzahlen. Die absolute Zahl ist dann vielleicht sogar „nachrangig“. Es geht vielmehr um den Nordstern, den Polarstern, wo wollen Sie Ihre Mannschaft hinbewegen, worauf arbeiten die Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag ins Büro kommen, hin? Wenn man sich keine Ziele setzt, sondern einfach nur so vor sich hindümpelt, dann muss man sich nicht wundern, wenn es hinterher auch keine Ergebnisse gibt. 

Um eine sportliche Anekdote zu bedienen: Sie können für den BVB nicht als Ziel ausgeben, um die Europacup-Plätze zu spielen, weil das ein „vernünftiges“ Ziel wäre und weil Bayern München ja sowieso jedes Jahr Meister wird. Das wäre absurd. Die klare Vorgabe muss sein, wir möchten um die Meisterschaft spielen! Ich glaube, daher kam ja auch diese große Vision, die wir damals hatten, zu Beginn von Covid 2020, dass wir sagten, wir sehen hier gerade einen Umschwung, wir sehen hier ein unglaublich hohes Interesse an Online Brokerage und an uns. Dazu haben auch die Neobroker beigetragen. Also, bei aller Kritik, die wir dann und wann auch mal in Richtung Neobroker abgeben, aber die haben ja zumindest mal wieder das Mindset von Anlegern in die breite Masse gebracht. Dass der Markt dann in den Jahren 2021 und 2020 in unsere Richtung fliegt und dann ein Jahr später komplett umkippt, das ist natürlich unglücklich. 

Auf der anderen Seite, und das ist glaube ist auch wichtig, muss man immer wieder auch bereit sein, die Ziele anzupassen. Zu lange an überholten Zielen festzuhalten oder auch wissentlich begründbare niedrige Ziele zu setzen, ist schlimmer als ambitionierte Ziele zu setzen und, sofern sich der Markt gegen einen entwickelt, überholte Ziele aufzugeben.  

Der Effekt wird in der Wissenschaft „self justification effect“ genannt [Selbstrechtfertigung). Man passt eine Entscheidung nicht an, um sein Gesicht zu wahren. Das ist das Schlimmste, was einem Unternehmen passieren kann. Als Visionär müssen Sie, sei es CFO, sei es CEO, solche Vorgaben ausgeben. Und dann müssen sie auch damit leben, dass sie diese Vorgaben eventuell nicht erfüllt werden, weil der Markt sich verändert. 

Die Verantwortung als Vorstand besteht darin, den Entscheidungswillen zu haben, solche Ziele zu definieren, aber auch anzupassen. Und das haben wir dann. Wir haben entschieden, dass wir nicht mehr in absoluten Zahlen unser Wachstumsziel ausgeben wollen, sondern eher in relativen Zahlen. Das heißt, wir spiegeln in unserer Wachstumsgeschwindigkeit die Marktwachstumsgeschwindigkeit wider. Wir haben also gesagt, wir wollen eineinhalb bis zweimal so schnell wachsen wie der Durchschnitt unserer Peergroup [Wettbewerber] und aktuell sind wir bei 2,1-mal, also sind wir ganz gut unterwegs. 

Stephan Heibel 

Okay, das war sehr aufschlussreich, vielen Dank. Vielleicht ein anderes Thema, das mich persönlich von einem scheidenden ex-CFO über die Regulierung in Deutschland und in Europa interessiert, jetzt gar nicht in Bezug auf flatexDEGIRO und das, was da im Moment vielleicht noch an Themen bearbeitet wird, sondern grundsätzlich. Als CFO gucken Sie genau auf die Zahlen. Was sagen Sie zur Bankenregulierung? Gibt es Dinge, wo Sie sagen, hier schießen wir uns ins eigene Knie mit unseren Behörden, was sie uns alles vorgeben. Gibt es da Themen, wo sie sagen würden, mein Gott, das wird uns hier so schwer gemacht, in den USA haben es Unternehmen viel leichter? Oder würden Sie sagen, das ist schon ganz sinnvoll, was wir hier haben, weil wir dadurch bestimmte Finanzkrisen, die in den USA ja auch an der Tagesordnung sind, eben nicht haben. Wie sehen sie das Wechselspiel Regulierung und Dynamik in der Finanzbranche hier in Europa? 

Muhamad Chahrour 

Unglaublich schwierige Frage, weil sehr facettenreich. Wir haben es gesehen bei der Silicon Valley Bank, wie vorteilhaft es ist, dass wir in Europa die LCR haben. Also die Liquidity Coverage Ratio [Mindestanforderung an Liquiditätsreserven für Banken]. Genau solche Fälle werden dadurch bei uns vermieden. In den USA gelten diese Regeln erst für „large institutions“, also Großbanken ab einer bestimmten Mindestgröße. Sie gilt nicht für mittelgroße und kleine Banken. Sowas kann bei uns nicht so leicht passieren und ich bin natürlich dankbar dafür. 

Stephan Heibel 

Und die LCR gilt in Europa für alle Banken? 

Muhamad Chahrour 

Das gilt in Europa für alle Institute. Das sind Vorgaben, die genau sowas vermeiden sollen und sie wirken bei uns in Europa ja auch tatsächlich. Ich glaube, gerade in der Regulatorik, was die Kennzahlen angeht, sind wir in Europa sehr progressiv veranlagt. Aber es führt dazu, dass wir sehr viel Stabilität im Bankensektor haben, trotz idiosynkratischer Instabilitäten, also aufgrund von Strategien oder von Produkten einzelner Banken. Aber ganzheitlich als Banksystem würde ich sagen, sind wir in Europa ziemlich stabil.

Was wir natürlich merken, und ich glaube, das ist so ein bisschen die Schwierigkeiten vieler Institute, ist die Schwierigkeit, alles in Einklang zu bringen. Es ist manchmal nicht ganz, wie soll ich sagen, nicht ganz konsistent, manchmal ist man überrascht von gewissen Entscheidungen auf europäischer Ebene. Wir haben jetzt gerade das Pfof-Verbot [Payment for order flow – Rückvergütung von Börsenmaklern an Broker dafür, dass deren Kundenorders über deren System ausgeführt werden: Kunden werden mit geringen Transaktionsgebühren gelockt. Fraglich ist, ob Kunden durch schlechtere Kurse nicht doch draufzahlen.] Ich finde es absolut absurd, dass ganz Europa über ein Phänomen spricht, das zu 98% nur in Deutschland existiert? Zahlungen von Börsen, Börsenmakler oder Market Maker an Broker gibt es in den meisten europäischen Ländern nicht. Das System existiert nicht. Es gibt in Frankreich und Spanien keine Tradegate, keine Lang & Schwarz, keine Baader Bank, keine ICF und so weiter und sofort, aber ganz Europa diskutiert darüber. Dabei hat unser Regulator, die BaFin, eine ziemlich klare Meinung dazu: sie findet es ausreichend in der MiFiD 2 geregelt. 

Jetzt natürlich kann man sagen, ja wir wollen in Europa ein Leveled Playingfield haben [gleiche Bedingungen für alle]. Aber wir haben das bereits: Die MiFiD hat das schon ganz gut geregelt. Die Auslegung der MiFiD-Regeln ist natürlich wieder eine andere Geschichte.

Es gibt Themen, wo die der Regulator eigentlich sehr passiv war, was die zusätzliche Regulatorik angeht. Bei anderen Themen wiederum sehen wir aber auch, dass die Vorgaben ziemlich klar sind. Gerade was KYC – Know Your Customer [kenne Deinen Kunden] angeht, sage ich persönlich, ist das absolut richtig. Wir müssen Geldwäschethemen reduzieren auf ein Minimum. 

Aber andererseits sagt man sich auch, die meisten Geldwäschethemen passieren nicht auf Bankkonten, die passieren außerhalb des Bank-Regelkreises, die passieren immer noch bei Immobilientransaktionen und in der Realwirtschaft. Und kommt dann da wieder diese unterschiedliche Handhabung in Europa, wie bspw. das Video Legitimation System, das jeder Deutsche kennt, aber das ausschließlich in Deutschland so ist. In allen anderen Ländern nutzt kein Mensch mehr diese Form der Legitimation.

Und das sind natürlich Themen, wo die Regulatorik nicht konsistent über alle Bereiche hinweg ist. In manchen Bereichen hat man das Gefühl, es wird überreguliert. Gucken wir in die Niederlande, da weicht die FMA mit ihrem Gold Plating [die Übererfüllung von EU-Recht, d.h. die Schaffung strengerer Regelungen in den Niederlanden bei Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben] deutlich von vielen europäischen Regulatoren ab. Das financial intermediate commission ban [Verbot der Vereinnahmung von Kommissionen für Zwischenhändler bei Finanztransaktionen] gilt beispielsweise in den Niederlanden über alle Industrien hinweg. 

Das macht das Gestalterische so schwierig, weil Sie immer ein Auge darauf werfen müssen, was die Zukunft bringen könnte und nicht nur den Status quo zu erfüllen. Es kann sein, dass ein gerade ausgerolltes Produkt in 2 Jahren nicht mehr vertrieben werden kann. Und da fehlt natürlich dann die Investitionssicherheit für gewisse Bereiche. Nicht nur bei Investoren, sondern natürlich auch beim Vorstand, bei dem CFO. Wofür gebe ich jetzt das Budget frei, wenn vielleicht in 2 Jahren die Regulatorik diese Idee komplett zerschießt?  

Stephan Heibel 

Spannende Themen. Die nächste Frage betrifft das Aktiensparen, das ist so ein bisschen mein persönliches Steckenpferd, bevor wir auf Ihre persönlichen nächsten Steckenpferde kommen. Individuelles Aktiensparen als Altersvorsorge ist steuerlich in Deutschland nicht gefördert. Man muss sich an Fondsgesellschaften oder Versicherungsgesellschaften wenden, die über Investmentvehikel vom Zinseszins profitieren können. Es gibt nicht die Möglichkeit für flatexDEGIRO Kunden, so etwas selbst zu machen. Steuervergünstigt fürs Alter zu sparen, ist für Privatanleger nicht möglich, sofern sie keine eigene Anlagegesellschaft gründen. Privatanleger müssen jedes Jahr Steuern abführen, was sich über den dadurch verringerten Zinseszinseffekt negativ auf das bis zur Rente angesparte Vermögen auswirkt. Das ist ein Missstand, über den ich mich sehr aufrege. Wie sehen Sie das hier in Deutschland: Ist das ein Thema, das man politisch anfassen kann oder ist das einfach in der deutschen Mentalität drin? 

Muhamad Chahrour 

Ich glaube nicht, dass dies eine deutsche Mentalität und jenes eine spanische Mentalität ist. Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede, bei diesem Thema sollte aber eigentlich der Intellekt die Kultur schlagen, insbesondere wenn es nicht nur Intellekt ist, im Sinne von Finanz-Intellekt, sondern es geht um die Frage „was passiert mit meiner Altersvorsorge?“ 

Wir sind da aus meiner Sicht einfach viel zu langsam. Anstatt einfach Modelle zu kopieren, die seit Jahrzehnten existieren, wie beispielsweise das 401k-Programm in den USA, das ISA System und der SIP im UK, das ISK Programm in Schweden oder das „Pension Account“ in den Niederlande, fangen wir an über neue Ideen zu diskutieren. Was ist daran so schwer, wie im UK zu sagen: „Lieber Kunde, Du kannst jedes Jahr bis zu 20.000€ investieren und die Erträge aus diesen 20.000€ bleiben steuerfrei. Das wäre eine Möglichkeit. Oder man nimmt eine längere Spekulationsfrist, wie bei Immobilien, und sagt „wenn du Aktien kaufst und die 10 Jahre liegen lässt, dann sind Erträge aus der Veräußerung dieser Aktien steuerfrei.“ 

Stephan Heibel 

Das, was wir schon mal hatten. 

Muhamad Chahrour 

Was wir früher hatten, vor 2008 mit der Spekulationsfrist von einem Jahr. Da verstehe ich aber wiederum den Staat, dass er sagt, dass ein Jahr Haltedauer nichts mit Altersvorsorge zu tun hat. Aber dann ziehen wir doch die Spekulationsfrist eben auf 10 Jahre, oder auf 20 Jahre in Gottes Namen. By the way, Aktien sollte man unter langfristiger Perspektive eh nicht unter 5 bis 10 Jahren halten. Normalerweise rennt man nicht durch die Welt und kauft sich Unternehmensanteile, um die nach 3 Monaten wieder zu verkaufen. Aber das ist eine andere Diskussion. 

Da sind wir wieder bei dem Punkt der Regulatorik, nicht nur für Banken im Sinne von BaFin, sondern es ist auch ein politisches Thema. Wieso macht die Politik nicht einfach etwas, das schon 100-mal am Markt existiert, kopiert es und führte es ein? Aus meiner Zeit bei Rocket Internet habe ich gelernt, besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht. Das ist das, was natürlich gerade uns als Broker, als Bank stört. Wenn ich vorsorgen will, steuerprivilegiert, dann muss ich mir irgendeine Gesellschaft, Versicherungsgesellschaft mit einem Mantel nehmen, ich mache das privat auch so. Die stellen diesen Mantel zur Verfügung und ich gehe dahin und suche mir die Fonds da aus. Dann hat die Versicherung aber nicht alle Fonds, kostet Unsummen und einen laufenden Vertrag zu wechseln ist schier unmöglich - das ist doch ein bürokratischer Aufwand für alle Beteiligten, der total verrückt ist. 

Stephan Heibel 

Wunderbar, vielen Dank. Ein Argument gegen steuervergünstige, individuelle Altersvorsorgepläne ist, dass man Anlegern abspricht, selbst in Aktien investieren zu können. Das sei zu risikobehaftet, die Risiken können, so die Argumentation, Privatanleger nicht beherrschen. Das müssten Versicherungen machen, die dann nur mündelsichere Papiere reinnehmen und diverse weitere Auflagen berücksichtigen müssen.

Ich habe gerade das DAX-Rendite Dreieck aufgerufen (https://www.dai.de/fileadmin/user_upload/221231_DAX-Rendite-Dreieck_50_Jahre_Web.pdf) und nachgeschaut: Es gab in den vergangenen 50 Jahren keinen längeren Zeitraum als 7 Jahre nach der Internetblase 2000, bis ein Investment in den DAX wieder im Plus notierte. Ob also eine Spekulationsfrist 5 oder 10 Jahre dauern soll? Von mir aus wären eben diese 7 Jahre angemessen, damit man Privatanleger vor eben solchen spekulativen Tälern schützt. 

Das war eine sehr schöne Betrachtung, vielen Dank. So, und jetzt kommen wir doch mal zur Zukunft des Muhamad Chahrour: Wo geht es denn hin? Ich habe vorhin aufmerksam die Liste verfolgt, mit Themen, auf die ein CFO Einfluss nehmen kann. Das, was Sie die letzten Jahre bei flatexDEGIRO gemacht haben, da waren einige Themen dabei, die Sie begeistert haben. Gibt es denn die Möglichkeit, dass es in der Richtung weitergeht, dass Sie über das Zahlenjonglieren hinaus künftig stärker in strategische Entscheidungen einwirken, vielleicht wieder bei kleineren Unternehmen? Oder sagen Sie sich, ich bin CFO durch und durch und such mir jetzt einen schönen Alterssitz als CFO? Nein, dazu sind Sie mit Ihren 37 Jahren viel zu jung. 

Muhamad Chahrour 

Den schönen Alterssitz hätte ich mir vielleicht bei flatexDEGIRO aufbauen können. Ich bin ein Mensch, der sehr Karma-getrieben ist und an das Schicksal glaubt. Ich weiß es ehrlicherweise noch nicht, aber ich werde sicherlich etwas finden, das mir wieder mindestens genauso viel strahlende Augen bescheren wird, wie während meiner Zeit bei der flatexDEGIRO. Das ist mein absolutes Ziel. Und was das ist, weiß ich nicht. 

Nun war ich 6 Jahre CFO, 2 Jahre CEO bei DEGIRO und seit Jahresbeginn stellvertretender CEO & COO bei der flatexDEGIRO AG. Ich fühle mich bereit auch eine CEO-Rolle eines, mittelständischen Unternehmens anzunehmen. Vielleicht mit der ähnlichen Vorgabe, aus einem 100-200 Mio. Unternehmen wieder ein Milliarden Unternehmen zu machen. Wo dieses Unternehmen ist, weiß ich selbst noch nicht. Es muss auch nicht aus der Finanzindustrie sein. Ich habe bei der UBS und pwc jahrelang M&A (Fusionen & Übernahmen) gemacht, viel Zeit im Real Estate Sektor verbracht. Bei Rocket Internet habe ich E-Commerce hoch und runter gemacht. Dankenswerterweise kann ich bei aller Bescheidenheit sagen, irgendwie habe ich mich überall durchgeschlagen, und das gar nicht mal so schlecht. 

Ich weiß noch nicht, welche Industrie da draußen auf mich wartet, wo das Paket ganzheitlich passt. Das ganze Paket im Sinne von Herausforderungen, von Opportunität, von Industrie, von Möglichkeiten und von den Menschen, die das Projekt tragen. Ich behaupte mal, Börse kann ich mittlerweile. Aber es gibt ja auch noch andere Umfelder, in denen man verantwortungsvolle Jobs annehmen kann. Private Equity ist definitiv etwas, was mich schon immer gereizt und interessiert hat, also gehen meine Gedanken auch in diese Richtung. 

Ich glaube, ich bringe ein gewisses Skillset mit, das viele Unternehmen in einer Wachstumsphase sicherlich benötigen können. Und jetzt bin ich noch in der glücklichen Situation, das Ganze ja evident höchst erfolgreich durchlaufen zu haben. Es gibt natürlich 1.000 Möglichkeiten warum das in irgendeiner Art und Weise hätte schiefgehen können. 

Wie gesagt, Private Equity steht weit oben auf der Interessensliste, aber es kann auch wieder ein börsennotiertes Unternehmen sein. Es gibt gewisse Konzerne, die mich reizen - ohne Namen zu nennen - wo ich sage, die Industrie, die Marken und Produkte oder die Positionierung reizt mich.

Stephan Heibel 

Ich habe mir Gedanken über Glück gemacht. Wer hat Glück? Und Glück haben meistens die Menschen, die ihre Ziele nicht konkret ausformulieren, sondern einfach zu Ende denken, in welchem Umfeld sie sich wohlfühlen. Und da haben wir von Ihnen jetzt eine ganze Menge gehört. Damit ist bei Ihnen die Offenheit vorhanden, so dass Sie das Glück, wenn es an die Tür klopft, erkennen und zuzugreifen. Genau das wünsche ich Ihnen, damit Sie nach Ihrer Zeit bei flatexDeGiro wieder eine Tätigkeit finden, die Sie begeistert. Und mit diesem Wunsch möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken für die Zeit, die Sie sich für unser Interview genommen haben. 

Muhamad Chahrour 

Vielen Dank auch an Sie, Herr Heibel. Und tatsächlich teile ich das so. Ja, nach Glück sollte man nicht jagen, sondern trachten. Es kommt meist von ganz allein und irgendwann klopft es an die Tür und meistens sind es ja Themen und Dinge, mit denen man mal so gar nicht gerechnet hat. Bei der flatexDEGIRO damals war es auch mehr Zufall als alles andere, dass ich da gelandet bin. Oder eher Schicksal, denn ich glaube nicht an Zufälle. 

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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