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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 26.10.2021 um 11:07 Uhr

So tickt die Börse: Ölpreisentwicklung entscheidet über Crash oder Rallye

Liebe Börsenfreunde,

Wenn alles nach meinem Wunsch verläuft, bekommen wir in der laufenden Woche, die letzte Oktoberwoche, noch einige Kaufgelegenheiten präsentiert. Ich möchte unser Portfolio mit attraktiven Aktien aufstocken, hätte auch nichts gegen eine extrem niedrige Cashquote im November. Im Dezember passiert dann nicht mehr viel, bevor es dann im neuen Jahr weiter gen Norden geht. Erst im kommenden Frühjahr möchte ich mir Gedanken darüber machen, ob die Aktienmärkte überhitzt sind, oder nicht. Bis dahin sind Rückschläge Kaufgelegenheiten … es sei denn, es passiert etwas Unvorhergesehenes ;-)

Diese Woche ist es soweit. Die letzte Oktoberwoche bringt die Entscheidung darüber, ob wir eine Jahresendrallye erleben werden, oder nicht. In meiner neuen Heibel-Ticker Ausgabe gehe ich ausführlich darauf ein, welche Voraussetzungen wir für eine Rallye benötigen, und welche Branchen davon am stärksten profitieren werden.

Der Ölpreis ist über 80 US-Dollar je Fass WTI geschossen. Erinnern Sie sich noch an den Corona-Crash, in dessen Rahmen der Ölpreis auf zwischenzeitlich -40 USD/Fass gerutscht war? Das war eine Anomalie aufgrund der hohen Lagerkosten für das damals zeitweilig nicht benötigte schwarze Gold, wenn die Förderung nicht abgenommen wird.

Ich habe mir vor einigen Jahren die Spanne von 40 bis 70 USD/Fass als "normal" für das Öl notiert. Wenn der Ölpreis Richtung 70 USD/Fass steigt, wird in den USA wieder mehr Schieferöl gefördert (Fracking) und der Ölpreis geht wieder zurück. Doch offensichtlich hat die Corona-Pandemie auch in der Ölindustrie Spuren hinterlassen: Die Investitionen in eine Ausweitung der Ölproduktion sind nicht mehr so einfach zu tätigen. Zum einen sind viele Ölförderer nach wie vor klamm, haben also nicht die für solche Investitionen erforderlichen Mittel. Zum anderen ist seit dem Regierungswechsel in den USA der Transport nicht mehr so einfach.

Daher konnte der Ölpreis über 70 USD/Fass ansteigen. Doch kurzzeitig kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Lieferengpässe.

Als Erstes kamen Lieferprobleme in Großbritannien zu Tage: In Folge des Brexit gibt es auf der Insel nicht mehr ausreichend LKW-Fahrer, um das Benzin zu den Tankstellen zu fahren. Die letzte Meldung zu diesem Thema habe ich von vor zwei Wochen gefunden: Die Armee übernimmt die Versorgung der Tankstellen, seither scheint das Problem gelöst.

Die nächste Meldung kam aus San Francisco: Über 50 Schiffe, Containerschiffe und Tankschiffe warten vor dem Hafen darauf, ihre Ladung zu löschen. Das Personal war während der Corona-Pandemie zurückgefahren worden und reicht nun nicht mehr aus, die sprunghaft angestiegenen Lieferungen abzuarbeiten. US-Präsident Biden hat das Problem zu seinem Thema gemacht, sorgte für 24/7-Betrieb auf dem Hafen und seither löst sich der Stau sukzessive auf.

Keines der großen Ölförderländer reagiert mit Förderausweitungen. Die OPEC+ hat lediglich verlauten lassen, man halte sich an den vereinbarten Fahrplan der schrittweisen, moderaten Ausweitung der Ölförderung. In der Finanzpresse werden Anschuldigungen laut: Die OPEC+ schaffe so einen künstlich hohen Ölpreis, um sich die eigenen Taschen voll zu machen.

Weder Venezuela, noch Russland oder Saudi Arabien, nicht einmal der Iran weiten ihre Förderung maßgeblich aus. Wenn Sie die Verhandlungen der OPEC+ in den vergangenen Jahren verfolgt haben, dann wissen Sie sicherlich, dass es alles andere als eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter diesen Ländern gibt. Ich würde behaupten, dass jedes dieser Länder sofort die Förderung ausweiten würde, wenn es sich einen finanziellen Vorteil davon versprechen würde.

Können oder wollen sie nicht? Nun, zumindest über Saudi Arabien und Russland weiß ich, dass dort deutlich mehr gefördert werden könnte, wenn man wollte. Die wollen also nicht.

Und es ist gar nicht so schwer nachzuvollziehen, warum die nicht wollen: Die Probleme sind vorübergehend. Schon jetzt rechnet ein Großteil in der Branche mit einem rückläufigen Ölpreis in den kommenden Wochen. Das klingt widersprüchlich, steht doch ein kalter Winter vor der Tür und in der Heizperiode steigt doch normalerweise der Ölpreis, oder?

Nein, das ist falsch: Normalerweise steigt der Ölpreis VOR der Heizperiode und findet sein Maximum stets Ende Oktober. Danach geht es in der Regel abwärts mit dem Ölpreis. Wenn in diesem Jahr Logistikprobleme für einen besonders starken Anstieg VOR der Heizperiode gesorgt haben, dann könnte der Preisrückgang auch besonders stark sein, oder?

Wenn Öl steigt, treibt das die Inflation an und bremst die Konjunktur. 90% aller Aktienunternehmen leiden unter einem ansteigenden Ölpreis. Reise- und Logistikunternehmen stöhnen unter den hohen Spritkosten. Die energieintensive Industrie muss höhere Produktionskosten weiterreichen. Vorprodukte und Zulieferer müssen ihre Preise erhöhen. Das zieht sich durch bis zum Verkaufspreis für ein Auto, einen Computer oder für Kleidung. Ein weiterer Anstieg des Ölpreises in Richtung 100 USD/Fass wäre eine Katastrophe für die globale Konjunktur.

Warum brechen die Märkte also nicht ein? Weil die Profis davon ausgehen, dass der Ölpreis nicht auf 100 USD/Fass steigen wird.

Wir sind also an einer Wegscheide: Entweder der Ölpreis läuft weiter nach oben und wir bekommen einen Crash, oder aber der Ölpreis beginnt zu fallen und wir erhalten eine Jahresendrallye. In Kapitel 04 habe ich aufgelistet, wie die einzelnen Branchen im jeweiligen Szenario performen werden: Welche Aktien profitieren am meisten von einem rückläufigen Ölpreis? Welche leiden am stärksten unter einem hohen Ölpreis?

Nachdem die beiden letzten Ausgaben urlaubsbedingt etwas kürzer ausgefallen waren, hat sich nun doch so einiges angestaut. Daher ist die aktuelle Ausgabe ein wenig länger geworden. Doch es werden viele Grundlagen für die nächsten Wochen geschaffen, wenn Sie sich durch die heutige Ausgabe kämpfen :-)

Snap ist um 25% eingebrochen: Das Unternehmen kann nicht mehr so gezielt werden wie zuvor. Was dahinter steckt, lesen Sie ebenfalls in Kapitel 02. Nach 10 Jahren zieht sich Jens Weidmann aus der EZB und der Bundesbank zurück. Am Ende des Kapitel 02 rufe ich ihm noch ein herzliches Dankeschön hinterher.

Das Sentiment zeigt diese Woche eine interessante Entwicklung zum Zinsmarkt. Aber auch für den Aktienmarkt lassen sich Schlussfolgerungen ableiten. In Kapitel 03 lesen Sie, welche.

Der PLUS Ausblick beschäftigt sich mit den Folgen einer Inflationsrate von 3-5%. Wenn wir genau hinschauen, sind viel mehr Unternehmen Profiteure eines solchen Umfeldes als zunächst gedacht. Welche Branchen und welche Geschäftsmodelle zu den Gewinnern gehören werden und welche zu den Verlierern, analysiere ich in Kapitel 04.

Eine Reihe von Updates zu unseren offenen Portfoliopositionen lesen Sie in Kapitel 05. Insbesondere der Goldmarkt mit Wheaton Precious Metals und Barrick Gold hat mich diese Woche beschäftigt.

Nun wünsche ich eine anregende Lektüre,

take share, Ihr Börsenschreibel

Stephan Heibel

Weiter zur Heibel-Ticker Ausgabe 21/42: https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1915

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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