Veröffentlicht von Stephan Heibel am 07.02.2008 um 17:14 Uhr

Markt Analyse: Abschreibungsbedarf bei der Sachsen LB

Sehr geehrter Herr Heibel, zunächst mal Lob für Ihren Ticker, ich lese ihn regelmäßig - ohne ihn allerdings als Möchtegernscalper des DAX direkt umsetzen zu können. Gestatten Sie mir dennoch als einem Stuttgarter Laien eine – etwas andere - Frage an den Fachmann des Finanzwesens: Unsere LBBW möchte gern(?) die Sachsen LB übernehmen. Letztere habe, wie man lesen konnte, einen Abschreibungsbedarf infolge der Hypothekenkrise in Florida und Kalifornien (wie ich dank Ihnen jetzt weiß) von bis zu 40 Milliarden EUR (nicht USD). 6-Monatschart Sachsen LB Europe PLC EO-Medium-Term Notes 2004(15) 6-Monatschart Sachsen LB Europe PLC EO-Medium-Term Notes 2004(15) Wenn ich den Abschreibungsbedarf der amerikanischen Großbanken (soweit ich das irgendwo lesen kann) dem gegenüberstelle, dann sind deren Abschreibungsbeträge ja geradezu lächerlich gering gegenüber dem Winzling Sachsen LB, relativ gesehen. Der brave Schwabe fragt sich, welche absurden Blüten der Dilettantismus in dieser Bank – unter Aufsicht des Freistaates Sachsen - getrieben hat und fürchtet um das Wohlergehen seiner Landesbank LBBW, wenn diese sich auf das Abenteuer der Übernahme tatsächlich einlässt. Die Politik bei uns verharrt zu diesem Problem in einer Art Schreckstarre, wie mir scheint. Lediglich der (wohlfeile) Ruf nach mehr Transparenz ist zu hören. Wie verhält sich das - außerdem - mit der Möglichkeit der Banken, Risiken bilanzschonend auf sog. Zweckgesellschaften zu verlagern? Ist das nicht schon kriminell? Sind dagegen bspw. schwarze Parteikassen nicht geradezu niedlich und harmlos? Würden Sie vor diesem für den Laien völlig unverständlichen Hintergrund die Meinung teilen, dass der (kleinkapitalisierte) brave Schwabe sich am besten an seine Genossenschaftsbank hält und auch dieser auf die Finger schaut - soweit er's kann? Für eine Antwort oder auch das Aufgreifen der angesprochenen Problematik in Ihrem Ticker wäre ich sehr dankbar. Mit freundlichen Grüßen, Manfred aus Stuttgart ANTWORT: Ja, das sind interessante Aspekte, die Sie ansprechen. Zunächst zur Richtigstellung: Ich kann keine Meldung finden, die den Abschreibungsbedarf der Sachsen LB auf bis zu 40 Mrd. Euro beziffert, vielmehr höre ich Zahlen von einigen hundert Millionen Euro. Vielleicht hat jemand da einmal das gesamte Engagement der Sachsen LB auf Null abschreiben wollen, das ist jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr erforderlich. Als kriminell würde ich das Verhalten der Unternehmenschefs nicht bezeichnen, eher als völlig inkompetent. Aber so ist das in der Wirtschaft: Man wird solange aufgrund seiner guten Leistung befördert, bis man dort angelangt ist, wo man überfordert ist. Dort bleibt man. Und oberflächlich betrachtet waren diese Immobilienderivate, die von der Sachsen LB gekauft wurden, hochverzinslich und dennoch hundert Prozent sicher, da versichert. Man musste schon ins Detail sehen, um mögliche Probleme zu erkennen. Doch insbesondere bei den Landesbanken möchte ich die Vorstände nicht für allein schuldig erklären. Natürlich fordern die Eigner (der Staat und die Länder, vertreten durch Politiker) immer höhere Renditen von ihren Unternehmen. Und natürlich sind dann die Unternehmenschefs auf der Suche nach hochprofitablen Anlagen. Und wenn die Immobilienderivate den Anforderungen der Politiker genügten, warum dann nicht darin investieren? Warum dann noch im Detail nach möglichen Problemen forschen, um anschließend als inkompetent entlassen zu werden, denn man bringt ja nicht die Rendite, die der andere Chef im Nachbarland bringt. Und letztlich muss ich auch die Politiker in Schutz nehmen, denn sie werden von uns gewählt. Und wir wählen Politiker ohne wirtschaftlichen Sachverstand, die immer mehr Geld umverteilen, ohne auf notwendige Investitionen zu achten. Subventionen für Nokia werden gezahlt, ohne an der Wurzel des Übels anzusetzen: Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Bochum. Und nun jubelt das Land jedem Politiker zu, der sein Nokia-Handy wegwirft. Das Problem ist also nicht der Chef der Sachsen LB. Er war dumm oder es fehlte ihm das Rückgrat, um die Risiken der US-Immobilienderivate frühzeitig aufzudecken. Vermutlich hing er zu sehr an seinem Job. Das Problem sind auch nicht die Politiker, die haben wir gewählt. Das Problem ist unsere Gier und die daraus resultierende Wahl der falschen Politiker. Nun habe ich vielleicht etwas weiter ausgeholt, als Sie erwarteten. Im Rahmen dieser Erklärung werden Sie nun auch schnell nachvollziehen, dass Unternehmenschefs unter Profitdruck natürlich auch jede Möglichkeit nutzen, die Bilanz auszubessern - und sei es durch das Auslagern von Risiken in Tochtergesellschaften.{weiter[40|9]}

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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