Am Montag früh, während ich mein letztes Update schrieb, brach Wheaton Precious zeitweilig um 30% ein. 30% Tagesminus. Im Vergleich zum Hoch von Ende Februar war die Aktie damit nur noch halb so teuer. Doch binnen weniger Stunden schoss die Aktie wieder nach oben und beendete den Tag mit einem Minus von nur noch 2%. Ein klares Zeichen dafür, dass am Markt nicht mehr Menschen, sondern Maschinen am Werk sind, denn welches Unternehmen kann in den Augen seiner Eigentümer binnen weniger Stunden 30% seines Wertes verlieren und dann wieder hinzugewinnen?
Wir wissen also nun, dass Kräfte am Werk sind, die manchmal Entwicklungen übertreiben, manchmal sogar in die falsche Richtung treiben. Für den Edelmetallmarkt sehe ich die aktuelle Entwicklung als falsch an. Notenbanken öffnen ihre Schleusen, Regierungen sprechen von und versprechen Helikoptergeld (Direkthilfen für Kleinunternehmen). Sowohl unser gesellschaftliches als auch wirtschaftliches System wird derzeit aus den Angeln gehoben. Vor Edelmetallhändlern bilden sich lange Schlangen. Der Goldpreis müsste eigentlich durch die Decke gehen.
Tut er aber nicht, auch nicht der Silberpreis. Im Gegenteil: Silber ist von 18 auf 12 USD/Oz gefallen (-33%), Gold von 1.680 auf 1.480 USD/Oz (-12%). Minenaktien und eben auch Wheaton Precious haben diese Entwicklung übertrieben mitgemacht. Hintergrund ist meiner Einschätzung nach die Geldnot vieler Spekulanten.
Über Jahre, und insbesondere in den vergangenen Monaten, wurde viel Geld in Gold und Silber, in Lizenz-Unternehmen wie Wheaton Precious, in Minenbetreiber wie Barrick Gold geparkt, um für schlechte Zeiten gewappnet zu sein. Spekulanten möchten genau dann, wenn die Aktienmärkte einbrechen, eine sichere Cash-Quelle haben. Und das sind Edelmetalle, ist der Edelmetallmarkt. Und so bedient man sich dieser "Cash-Reserve", um nach den heftigen Verlusten am Aktienmarkt wieder neues Spielgeld zu haben.
Dadurch konnte der Edelmetallmarkt seiner Aufgabe nur bedingt gerecht werden: Zwar hielten sich die Werte zunächst stabil, doch schon bald kamen andere Verkäufer hinzu: Margin Calls. Spekulanten, deren Spekulationen auf Pump finanziert und durch ihren Goldbestand abgesichert waren, mussten durch die Kursverluste Sicherheiten nachschieben. Und als Sicherheit kann Cash zu 100% beliehen werden, eine Minenaktie oder ein Goldzertifikat nur zu einem variablen Anteil.
Der Prozess läuft wie folgt: Der Spekulant, der nicht ausreichend Sicherheiten hat, wird aufgefordert, bis zu einer bestimmten Uhrzeit Sicherheiten (Bargeld!) zu liefern. Geschieht dies nicht, hat der Broker die Befugnis, Papiere aus seinem Depot zu verkaufen … ohne Rücksicht auf den Kurs. Und so muss es am Montag Vormittag jemanden gegeben haben, dessen Position in Wheaton Precious liquidiert wurde. Mangels Nachfrage führte diese Aktien schon bei geringem Handelsvolumen zu dem oben beschriebenen heftigen Ausverkauf. Erst als der Margin Clark, so heißt der Mitarbeiter des Brokers, der das umsetzen muss, fertig war, endete der Kursrutsch und binnen weniger Minuten stand die Aktie fast wieder auf dem Niveau des Vortages.
Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen meiner Einschätzung nach solche Ereignisse noch häufiger sehen.
Bewertung: Der Gewinn von Wheaton Precious soll Analystenschätzungen zufolge in den kommenden fünf Jahren um jährlich 19% steigen. Das KGV 2021e steht bei 30. Damit beträgt das KGV weniger als das doppelte des Gewinnwachstums, die Aktie ist daher im Rahmen dessen, was ich als fair bewertet betrachte.
Für das Jahr 2020 wird eine gleichbleibende Goldproduktion von 685.000 bis 725.000 Unzen von Gold-Äquivalent erwartet (2019 waren es 707.000). Dabei wird Silber und Palladium in ein Gold-Äquivalent umgerechnet. Je nach Goldpreis wird sich dann der Umsatz entwickeln. Wenn der Goldpreis steigt, wird auch der Umsatz entsprechend steigen, der Gewinn sodann aufgrund gleichbleibender Kosten springt dann überproportional an.
Wheaton Precious ist kein Minenbetreiber, sondern hat Minenbetreiber finanziert und wird nun mit der Belieferung von Gold ausbezahlt. Das attraktive daran ist, dass für Wheaton Precious durch den Minenbetrieb keine unvorhersehbaren Kosten mehr anfallen. Das Haar in der Suppe dieses Geschäftsmodells ist, dass es in der Hand des Minenbetreibers ist, wie viel Gold geliefert wird (ein festgelegter Anteil der Produktion). Fällt die Minenproduktion also hinter die Erwartungen, kostet es Wheaton Precious nichts, das Unternehmen muss nur länger auf seine Bezahlung warten.
COVID-19: Natürlich ist zu erwarten, dass auch Minen weltweit durch das Coronavirus Beeinträchtigungen in der Produktion spüren werden. Entsprechend ist ein Teil des Ausverkaufs bei Wheaton Precious sicherlich auch berechtigt. Die Rückzahlung der Kredite verschiebt sich also in die Zukunft.
Gleichzeitig gehe ich jedoch davon aus, dass die Liquiditätsschwemme, die fiskalpolitischen Maßnahmen und das Chaos in unseren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen den Goldpreis antreiben wird und somit das längere Warten überkompensieren wird. Für die kommenden Monate erwarte ich, dass Wheaton Precious im Rahmen von Ausverkaufswellen und von Panik immer wieder unter die Räder geraten wird. Anschließend dürfte sich die Aktie jedoch deutlich stärker erholen als der Gesamtmarkt.
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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