Veröffentlicht von Stephan Heibel am 09.07.2007 um 17:08 Uhr

Aktienanalyse: Thomson

Hinsichtlich der Analyse hat sich hier ein interessanter Dialog mit einem Leser ergeben, den wir hier für Sie zusammengestellt haben:

Hallo Herr Heibel,

ich habe lange gezögert, aber nun doch Ihr Angebot angenommen und den Ticker abonniert -  und bereue es nicht. Herzlichen Glückwunsch! Machen Sie so weiter. Erklärungen wie in den letzten Briefen schätze ich sehr. Man ist halt doch Laie und hat sich 'ne Menge Halbwissen angelesen.

Ich habe eine Frage zu Thomson, früher Thomson-Multimedia Ticker: TMS, TMS.PA

Aus früherer Zeit kannte ich das Unternehmen sehr gut. Aus dieser Zeit habe ich Aktien welche ich zum größten Teil mit 285% Gewinn verkauft habe. Eine wenige halte ich noch und liege mit 30% im Minus. Ich habe nicht verkauft, weil ich das Geld nicht brauchte und hoffte der Kurs würde sich wieder fangen.

Damals war Thiery Breton CEO, wechselte dann aber zu France Telecom, dann als Finanzminister in die Regierungsmannschaft. Inzwischen hat Charles DeHelly das Unternehmen völlig umgebaut. Aus einem Multimedia Hardware Produzent ist ein High Tech Multimedia Unternehmen geworden, welches die meisten Einnahmen aus Lizenzen bezieht. Da diese vorwiegend in den USA erzielt werden, nehme ich an, dass dies der Grund ist, dass der Kurs infolge des schwachen US$ so stark gefallen ist.

Die neue Unternehmensstruktur kann ich nicht mehr so gut beurteilen, deswegen suche ich Ihren professionellen Rat.

6-Monatschart Thomson

Nun meine Frage, würden Sie:

a)    Sofort verkaufen und auf einen aussichtsreicheren Kandidaten setzen?

b)    Oder sollte ich nach der Dividendenausschüttung im Juni verkaufen?
c)    Oder liegen lassen und hoffen, dass wenn sich der Kurs des US$ zum € nivelliert, auch der Kurs von Thomson wieder, sagen wir ein Niveau von 24€ erreicht.

Ich würde mich über einen kurzen Kommentar freuen.

Mit freundlichen Grüßen, Hellmut aus Celle


ANTWORT:

Vielen Dank für Ihre aufschlussreiche Einleitung über das Unternehmen.
Ich werde versuchen, das französische Unternehmen mit den wenigen mir zur Verfügung stehenden Informationen zu beurteilen- bitte korrigieren mich, wenn ich die wenigen mir zur Verfügung stehenden Informationen falsch interpretiere. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen - ich werde dann gerne nochmals einen genauen Blick auf das Unternehmen werfen. Vielen Dank.
 
Der Umsatz des Unternehmens ist in den vergangenen Jahren kräftig zurück gegangen. 2005 wurde wohl ein wesentlicher Unternehmensteil verkauft.

Leser:  Das ist richtig, das gesamte Kerngeschäft, die Herstellung von TVs, Video Recorder, Audio Produkte wurde an TCL, China verkauft, an diesem Unternehmen hält TMs noch 19%

Handelte es sich da eventuell um den Bereich der Flachbildschirm-Herstellung? Bis Ende 2005 hat das Unternehmen Verluste geschrieben.

[Leser: Die Verluste stammen aus der Restrukturierung! ]

2006 wurde die Gewinnschwelle knapp überschritten. Es soll am 3.7. eine Dividende von 0,33 EUR ausgeschüttet werden.
 
Ich kenne Thomson vom Kabel-Model, das den Internetzugang sowie das TV-Signal verarbeitet.

[Leser: Das ist heute noch ein Geschäftsbereich, die Herstellung soll aber von  6 Fabriken auf 2 reduziert werden, dafür fallen wieder Restrukturierungskosten an. ]

In diesem Bereich sieht das Unternehmen auch seine Zukunft: Die Schaffung von Produkten, die das größer werdende Datenaufkommen im Bereich der Bildverarbeitung durch das Internet bzw. durch das Kabelnetz unterstützen.

[Leser: Auch das ist richtig. Da ich aus dem Manufacturing Bereich stamme und das alte Unternehmen gut kannte, fällt es mir schwer zu beurteilen wie Thomson heute aufgestellt ist und welche Chancen das neue Geschäft hat. ]
 
Dem sehr umfangreichen, aber mit wenig Informationen bestückten Geschäftsbericht 2006 entnehme ich, dass Thomson sein Geschäft "internationalisiert" hat - was immer das bedeutet. Genau Zahlen werden nicht genannt.

[Leser: Unlängst fand das Shareholders AGM in Paris mit Präsentation der 1QRT results 2007 in Paris statt. Die Seiten 63-68 beschreiben das neue Unternehmen. Früher war Thomson mit Philips zu vergleichen. Mir fällt es schwer zu beurteilen wie das neue "Thomson" bestehen kann. ]
 
Ganz ehrlich gesagt: Ich kann mir auf einiges keinen Reim machen. Heute steht in den Meldungen, dass Thomson Reuters übernehmen wolle. Bei Yahoo! Finance erhalte ich unter TMS sowohl die Informationen über das Technologieunternehmen, als auch die Meldung über die Reuters-Übernahme. Wie passt das zusammen?

Dabei kann es sich doch nur um die britische Thomson handeln, die im Finanzsektor aktiv ist, und nicht um Ihre französische Firma, die aus der Technologieecke kommt, oder?

[Leser: Thomson Financial Services hat nichts mit TMS zu tun.]
 
Mir wird Frank Dangeard als CEO von Thomson angezeigt, nicht aber der von Ihnen angesprochene DeHelly.

[Leser: Frank Dangeard wurde von Thierry Breton zu Thomson gebracht als dieser CEO von France Telekom war (gute Freunde, kommen von der selben Schule - DeHelly ist raus.). ]

Cisco ist unangefochtener Marktführer. Wer gegen Cisco besteht, wird von Cisco gekauft. An dieser Vorgehensweise hält John Chambers fest und ich muss zugeben, dass es nur vereinzelt erfolgreiche Unternehmen gibt, die sich im Netzwerkbereich behaupten (Broadcom).

Weder Alvcatel, noch Lucent haben es geschafft. Deren Zusammenschluss ist das Eingeständnis der Niederlage, aus diesem Haus ist seither nichts Positives mehr vermeldet worden.

Motorola hat sich auf Handys beschränkt und kommt nun auch in diesem Bereich in Bedrängnis.

HP baut wieder gute PCs und Digicams, Siemens baut qualitativ minderwertige Geräte und hält sich mit seinen Großprojekten über Wasser. Ericsson ist auf das Betreiben von Mobilfunknetzwerken spezialisiert und nutzt dort vermutlich Cisco-Technologie.

Ich weiß nicht, wie Thomson im Bereich der Netzwerktechnologie gegenüber Cisco einen Vorsprung erzielen möchte. Für Innovationen ist das Unternehmen zu groß und als Franzose quasi in Staatshand, ich erwarte eher einen geordneten Rückzug von Thomson.

Als Beispiele für künftige, zu erschließende Geschäftsfelder werden TV-Kanäle, Mobile TV und Out-of-home advertising genannt. TV Kanäle gibt es genug. Gerade im Bereich des Mobile TV und Mobile Advertising werden Innovationen immer wieder von kleinen Pionierunternehmen eingebracht. Ich sehe bei Thomson nicht die großen Vorteile für diese Bereiche.

Ungeachtet dessen wird Thomson in diesen Bereichen dann "auch" Produkte auf den Markt bringen und aufgrund seiner Marktposition daran verdienen. Aber für steigende Aktienkurse braucht das Unternehmen wirkliche und eigene Innovationen, nicht das Mitschwimmen auf einer Technologiewelle.

Ich könnte mir vorstellen, dass Thomson mit den permanenten Restrukturierungen flexibel genug bleibt, um die Personalstruktur den jeweiligen Verdienstmöglichkeiten anzupassen. Aber einen wirklichen Aufschwung sehe ich derzeit nicht.

Soweit mein Eindruck. Bitte beachten Sie, dass ich so ziemlich alle Branchen im Auge habe und daher nicht so tief ins Detail gehen kann, wie auf eine Branche spezialisierte Analysten. Daher nenne ich diese Antwort eben auch "Eindruck". Aber vielleicht können Sie mit Hilfe Ihres eigenen, fundierten Wissens meinen Eindruck nutzen.

[Leser: Danke Herr Heibel, ich habe die neuen Zahlen und sehe weitere Risiken, wenn Thomson sich von den restlichen manufacturing Aktivitäten trennen will, dann ist das sicher richtig. Im TV manufacturing business ist kein Geld mehr zu verdienen. Dann entstehen wieder restructuring costs. Und ob im Service Geschäft für die TV broadcasting und Film Industrie Geld zu verdienen ist, kann ich schwer beurteilen. Daher meine weitere Frage an Sie.]{weiter[40|9]}

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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