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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 22.12.2020 um 11:51 Uhr

Heibel-Ticker PLUS Update zu Airbus

Der Wettbewerbsvorteil von Airbus

Ich hatte 1987 die Gelegenheit, als Austauschschüler die Werkshallen von Boeing in Seattle zu besichtigen, weil meine Gastfamilie Kontakt zu einem Boeing-Mitarbeiter hatte. Schon damals klang in jedem zweiten Satz über den Wettbewerber Airbus durch, dass Airbus ja durch europäische Regierungen gepudert würde. Inzwischen, über dreißig Jahre später, wissen wir, dass der Vorwurf richtig war, dass aber auch die USA, um dieses Treiben auf dem heimischen Markt auszugleichen, Boeing gepudert hat. So ist ein Teil des Erfolges beider Unternehmen auf der Basis versteckter Subventionen erfolgt.

Wir werden wohl nie herausfinden, wie sich der Wettbewerb ohne solche Zuwendungen entwickelt hätte. Ich habe aber eine Meinung darüber, wie er sich in der Zukunft entwickeln wird: Airbus hat meiner Einschätzung nach eine wesentlich bessere Startposition.

Auf der einen Seite ist der Ruf von Boeing durch das 737 MAX-Desaster beschädigt. Zwar ist die Maschine nun wieder zugelassen und Boeing kann sich nun über einen Nachholeffekt freuen, doch der Imageschaden wird eine Weile auf dem Konzern lasten. Und zum anderen führten die Probleme mit dem 737 MAX dazu, dass Boeing wichtige Zukunftsinvestitionen streichen musste, während Airbus unbehelligt voran schritt.

Es geht um das Massengeschäft, und das ist in der Mittelstrecke. Das Langstreckengeschäft wurde seit 1970 von der Boeing 747 dominiert, dem Jumbojet. Dieser in die Jahre gekommene Koloss sollte nach dem Willen von Airbus durch den A380 erobert werden, doch es zeigte sich schnell, dass die von Boeing eingeschlagene Richtung mit kleineren und somit spritsparenderen Fliegern wie der 777 oder 787 (Dreamliner) besser auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten waren. Airbus hat die Produktion des A380 gestoppt und bietet nun eine modernisierte Version des A350 an.

Auf der Kursstrecke konkurriert eine neue Versionen des A320 (neo) mit der 737 bzw. der 737 MAX. Hier hat Airbus inzwischen klar die Nase vorn.

Nun wird eine neue Generation entwickelt: Mit dem A321 XLR möchte Airbus Verbindungen über den Atlantik ermöglichen, die nicht mehr über die großen Hubs (Verteilerflüghäfen) wie Frankfurt oder München geleitet werden müssen, sondern direkt auf kleinere Flughäfen miteinander verbindet: Hamburg-Boston fällt mir da ein, oder Berlin-Washington. das rentiert sich heute nicht, weil die großen Langstreckenflieger mit solchen Spezialrouten nicht ausgelastet werden können.

Der A321 XLR wird ein single aisle Flieger, also ein schmales Flugzeug mit nur einem Gang. Er ist wesentlich leichter, als die heutigen Langstreckenflieger, kann dadurch wesentlich kostengünstiger betrieben werden und lohnt sich also schon ab einer kleineren Zahl an Passagieren. Im Jahr 2023 soll dieser neue Flugzeugtyp auf den Markt gebracht werden. Für die Fertigung soll die Produktionsanlage des A380 genutzt werden, eine der modernsten Fertigungsanlagen der Welt.

Boeing war hier schon im Hintertreffen und hatte für die eigene Version dieses Flugzeugtyps das Jahr 2025 im Visier. Doch dieser neue Flugzeugtyp sollte auf Basis der 737 MAX entwickelt werden und die Entwicklung wurde vor dem Hintergrund der zwei Abstürze dieses Flugzeugtyps erst einmal auf Eis gelegt, 2027 ist nun im Gespräch.

Wenn alles gut läuft, wird Airbus also einen Flugzeugtyp anbieten können, der mehr Flexibilität ermöglicht und dem Boeing vier Jahre lang nichts entgegen zu setzen hat. Das ist ein ziemlich großer Vorsprung, finde ich.

Besser noch: Die Wirren um den 737 MAX und der Umstand, dass die Entwicklung eines Mittelstreckenfliegers vorübergehend auf Eis gelegt wurde, hat das Know-how bei Boeing beschädigt: Qualifizierte Ingenieure mögen es nicht besonders, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht an ihrer Sache arbeiten dürfen. So hat Boeing viele Ingenieure verloren. Es dürfte also schwer sein, den Rückstand aufzuholen, auch wenn Boeing sich darum bemüht.

Die Auftragsbücher beider Airlines sind voll, Neubestellungen warten teilweise bis zu 10 Jahre auf ihre Auslieferung. Daran hat auch die Coronakrise wenig geändert. Mit dem A321 XLR hat Airbus die Möglichkeit, bessere Preise im Markt durchzusetzen. Mag sein, dass die Aktie von Boeing derzeit noch ein wenig Nachholbedarf hat. Doch auch die Aktie von Airbus ist günstig. Da Airbus Investitionen bereits getätigt und eine bessere Preissetzungsmacht hat, dürfte sich die Ertragslage von Airbus deutlich besser als bei Boeing entwickeln. Daher erwarte ich für die Airbus Aktie mittel und längerfristig eine deutlich bessere Entwicklung, als für die von Boeing.

Freundliche Grüße

Stephan Heibel

Herausgeber des Börsenbriefes Heibel-Ticker

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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