Veröffentlicht von Stephan Heibel am 26.11.2006 um 01:05 Uhr

Tiro enthält alle Merkmale von Betrügereien

Hallo Hr. Heibel,

 

da ich noch ganz "frischer" Plus Abonnent bin, hätte ich gerne Ihre Meinung über die TIRO- Holding (WKN: A0JNGV) gewusst.

 

Die Aktie bewegt sich seit nunmehr 3 Monaten nur seitwärts und prellt immer wieder an der 0,66 er Linie ab. Was halten Sie überhaupt von dieser Holding?

 

Viele Grüße aus dem Österreichischen Norden, Peter

 

 

ANTWORT:

 

TIRO Holding gibt es erst seit diesem Jahr. Das Unternehmen wird seit Mai an der Börse gehandelt, der Kurs ist seither von einem Euro auf zwischenzeitlich 0,30 Euro gefallen und verharrt nun knapp über 0,60 Euro. Wenn Sie eine solche Pfennigaktie beurteilen wollen, dann müssen Sie sich fragen, was den Kurs bewegt.

 

Und das ist sehr einfach herauszufinden: Meldungen! Blumig formulierte Versprechungen, gespickt mit wichtig klingenden Begriffen der Finanzwelt. Alle Informationen über das Unternehmen, die Sie finden können, stammen vom Unternehmen selbst, oder von einem (gekauften?) Analysten.

 

Der Inhalt der Meldungen ist denkbar einfach: "Jetzt kaufen, denn der Kurs steigt bald über 1 Euro", "Verpassen Sie nicht Ihre Chance für einen Kursanstieg auf 2,50 Euro im nächsten Jahr", aber auch "Der Unternehmensverlust war geplant und angekündigt. Schon bald werden die ersten Gewinne fließen"…

 

…und die Gewinne sollen aus Börsengängen fließen. Zum einen soll die eigene Tochtergesellschaft TIRO Listing AG an die Börse gebracht werden, zum anderen eine Stahlfirma namens "Swiss FE Steel".

 

Ich weiß, ich bin ein Skeptiker geworden. Aber ich habe in den vergangenen Jahren so viele Betrügereien an der Börse gesehen, daß ich inzwischen bei nicht ganz sauberen Sachen generell das Schlimmste befürchte. Und damit liege ich in 90 % der Fälle richtig. Wenn Sie lernen wollen, wie man richtig bescheißt, dann lesen Sie sich die folgenden Absätze durch.

 

Also: TIRO Holding selbst existiert erst seit diesem Jahr. Der Vorstand, Ralf Goldermann, arbeitet schon seit Jahren mit Christoph Göttler in einer Vermögensverwaltung namens Vialor zusammen. Christoph Göttler ist größter Eigner des Unternehmens.

 

Nun wollen die Jungs, Jahrgang 1969 und 1964, hoch hinaus. Alles, was sie aufweisen können, sind gute, vermögende Kontakte. Mit Hilfe einiger Kapitalgeber wird also aus der Vialor heraus die TIRO Holding gegründet. Damit das Unternehmen etwas besitzt, wird die Vialor eingebracht. Als Geschäftsfeld wird ausgerufen, Unternehmen beim Börsengang zu begleiten.

 

Als erstes einmal wird der eigene Börsengang durchgeführt. Das kostete etwa 100.000 Euro, brachte aber 8 Mio. Euro frisches Kapital. Damit kann nun gearbeitet werden.

 

Mit dem Geld gründet man dann erst einmal eine 100 %ige Tochter, die TIRO Listing AG. Diese vermeldet dann auch umgehend, dass weitere zwei Börsengänge in der Pipeline stünden und beschafft sich über den privaten Kapitalmarkt ein Startkapital von 12 Mio. Euro.

 

Als erstes soll nun das Unternehmen Swiss FE Steel Group an die Börse gebracht werden. Das Volumen: 14 Mio. Euro. Ich habe nachgeforscht: Die Swiss Fe Steel Group wurde erst vor wenigen Wochen gegründet. Damit es schneller geht hat man den Firmenmantel einer nicht mehr operierenden Firma gekauft, umbenannt und mit einem Management versehen. Was diese Firma einmal tun soll, ist mir schleierhaft.

 

Aber das macht nichts, die TIRO Holding kennt sich wunderbar am Kapitalmarkt aus und weiß, wie man eine Nachfrage für Aktien schafft, auch wenn das Unternehmen nichts als blumige Pläne vorlegen kann. Wenn dieser Börsengang erfolgreich über die Bühne geht, dann hat die TIRO sogar erste Einnahmen zu verzeichnen.

 

Und wenn das dann vermeldet wird, dann geht der Kurs durch die Decke. Denn alles, was der Vorstand versprochen hat, ist auch eingetreten. Daß dies alles noch ohne irgendein funktionstüchtiges, gewinnbringendes Geschäft erfolgen konnte, ist den wenigsten bewußt.

 

Erst nach diesen hausgemachten Erfolgen wird es sich zeigen, ob das Unternehmen überhaupt ein Geschäft aufbauen kann. Ich habe über das Management Informationen eingeholt, etwas Schlechtes ist mir da nicht aufgefallen. Ich gebe dem Management also einmal Vorschußlorbeeren und sage, sie werden wohl ehrlich daran glauben, daß sie nach diesem hausgemachten Start dann auch am Markt erfolgreich sein werden.

 

Aber um deren Chancen beurteilen zu können, müßte ich die beiden persönlich kennen - und das tue ich nicht. Und das ist immer wieder der Fallstrick bei den meisten Pfennigaktien: Ein solches Unternehmen steht und fällt mit der Kompetenz des Managements. Es gibt ja noch kein Geschäft. Ein Investment in eine solche Aktie ist wie ein Stipendium für einen Menschen, der einem dies später einmal eventuell zurückzahlt. Über die Aktienbörse ist mir ein solches Stipendium zu anonym. Wenn ich schon auf eine Person vertrauen soll, dann möchte ich diese Person auch persönlich kennen.

 

Das ist hier nicht der Fall, daher ist mir diese Aktie zu windig. Es gibt keine Information über die Gehälter des Vorstands, es gibt auch keine Berichte von unabhängigen Dritten. Ich würde die Finger davon lassen.

...

Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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