Veröffentlicht von Stephan Heibel am 27.07.2012 um 14:44 Uhr

Wacker Chemie - eine Kaufgelegenheit?

Lieber Herr Heibel,   ich fange mit Lob an: Der Heibel-Ticker ist ohne Zweifel klasse. In letzter Zeit gefiel mir insbesondere Ihre Wunschanalyse zur Deutschen Post DHL. Ich habe dann das Unternehmen angeschaut und mir Aktien eingekauft - mit der Absicht dann auch möglichst langfristig zu halten. Darin sehe ich den Wert Ihres Börsenbriefes: Auch wenn man Ihr Depot nicht nachbildet, man findet gute Ideen und Ansätze, wie auch Trends, die Sie aufzeigen, um eigene Zusammenstellungen zu bilden. Auch finde ich gut, dass Sie so gerne auf Leserfragen eingehen. Nicht jeder Börsenbriefautor würde dafür die Zeit finden.   Vor einem halben Jahr (oder mehr) hatten Sie die Wacker Chemie kurz analysiert und gesagt, die Kurse seien günstig. Nun sind sie noch wesentlich günstiger geworden, und ich bin am Überlegen, ob ich mir auch einige Aktien des Silizium-Unternehmens zulegen sollte: Die Kurse sind momentan fast am historischen Tiefstkurs angekommen (Wacker ist ja nicht so lange an der Börse). Doch die Erfahrung zeigt, dass günstige Aktien auch noch günstiger werden können, falls es Gründe dafür gibt... ;)   Im Prinzip ist Wacker ein schön konservativ geführtes innovatives Unternehmen, das viele Siliziumprodukte für verschiedene Branchen vom Bau über Automobilpflege bis zur Textilindustrie anbietet. Außer den Chemie-Sparten gibt es noch das Halbleiter-Geschäft Siltronic, das Einkristalle zieht und daraus Wafer für die anspruchsvolle Halbleiterbranche produziert und den Geschäftsbereich Polysilicon, der längst nicht mehr so klein ist, wie als er von der Siltronic abgetrennt und als eigenständiger Geschäftsbereich aufgestellt wurde - da wurde auf der Konzernebene fleißig investiert. Nun ragen m.E. folgende Fragezeichen heraus:   1) Das Wafergeschäft (Siltronic) - hier kann man die Preis-/Nachfrage-Entwicklung und die Zukunft überhaupt nicht wirklich vorhersehen: Die Siltronic ist die Dritte, wesentlich kleinere, neben den zwei Großen (SEH und Sumco), die auf dem Wafermarkt miteinander duellieren und die Waferpreise zumindest mäßig halten. Die fehlende Marktmacht ist sicherlich ein substanzieller Nachteil bei der Siltronic, was sich bei den Preisverhandlungen auswirkt, aber auch bei der damit einhergehenden fehlenden Investitionskraft. Offen ist, ob die Siltronic AG ihre richtigen Nischen entwickelt/findet, um florieren zu können und zwischen den großen Japanern nicht zermalmt zu werden. Andererseits sehe ich den Geschäftsbereich Siltronic als die Technologieschmiede bei Wacker schlechthin.   2) Bekanntlich baut Wacker derzeit ein großes Polysilizium Werk in Tennessee, USA. Der Polysilizium - Markt ist aber seit dem Startschuss des Baus eingebrochen und schwer prognostizierbar: Einerseits die schlecht vorhersehbare Nachfrage (wann kommt noch der Solarmarkt zurück?), andererseits die koreanische u.a. Konkurrenz, die nicht schläft und unter günstigen Umständen (hohe Nachfrage und Preise) die Angebotslage mit immensen Investitionen radikal verändern kann: Pläne dazu hatten die ja schon. Na ja, noch ist Wacker ein Marktführer beim Polysilizium, aber wie lange und zu welchen Preisen (oder zu welchem Preis)...   Eine konkrete Frage entsteht übrigens daraus. Wenn man darauf wetten möchte, dass die Solarindustrie irgendwann ohne Förderung auskommt (muss ja zwingend der Augenblick mal kommen, oder?) und damit einhergehend exponentiell zu wachsen anfängt, ist dann vielleicht Wacker Chemie als Lieferant des Ausgangsmaterials eine gute Möglichkeit? Oder vielleicht sehen Sie andere Möglichkeiten?   Am 25.Juli gibt es den Quartalsbericht, auf den ich gespannt bin. Ansonsten wollte ich hiermit die Wacker Chemie AG als Kandidat für eine Ihrer nächsten Wunschanalysen vorschlagen. Als das größte bayerische Chemie-Unternehmen ist es allemal einen genaueren Blick wert. :)   Danke erstmals schon, dass Sie die lange E-Mail durchgelesen haben und weiterhin viel Spaß beim Schreiben!   Mit besten Grüßen, Gundars aus Burghausen   6 Monats-Chart Wacker Chemie             ANTWORT:   Besten Dank für das Lob und ja, Ihr Schreiben war lang ;-) Daher entsprechend detailliert meine Antwort:   Nein, ich finde Wacker Chemie derzeit nicht attraktiv. Die Solarbranche befindet sich weiterhin in einem Abwärtssog, und ich halte es noch für zu früh auf Überlebende zu spekulieren. Preisdruck und steigender Wettbewerb aus Asien wird auch weiterhin der Siltronic-Sparte zusetzen.   Und leider stehen auch dem Polysilizium - Geschäft schwere Zeiten bevor, in den vergangenen Wochen haben die Kunden AMD, Infineon und Applied Materials Gewinnwarnungen bzw. Prognosesenkungen ausgegeben. Infineon arbeitet schon unter Vollauslastung und erwirtschaftet einen knappen Gewinn. Da ich Druck auf den Abnahmepreis erwarte, ist hier keine Verbesserung sondern höchstens eine Verschlechterung zu erwarten.   Wacker ist sehr konjunktursensibel. Im konjunkturellen Aufschwung springt die Aktie höher als alle anderen, im Abschwung fällt sie tiefer. Ich würde hier nicht in den fallenden Kurs hinein kaufen, sondern auf eine Bodenbildung warten. Weder Dividende (1,9%) noch KGV (16) geben ein günstiges Bild ab, sodass Anleger hier noch warten werden. Ich würde das auch tun. {weiter[40|9]}  

...

Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

heibel-ticker.de

LinkedIn YouTube Xing


© Copyright 2006 - 2024 Heibel-Unplugged